Von JÁNOS MOSER.
Die Ankündigung im Jahr 2015 sorgte für die wildesten Hoffnungen, der Reveal-Trailer an der vergangenen E3 für Jubelstürme, und eine gross angelegte PR-Kampagne macht das Thema auch in diesem Februar zum Dauerbrenner: das Remake des Horror-Spieleklassikers Resident Evil 2. Im Vorfeld entbrannten heftige Diskussionen darüber, ob Capcom es schaffen würde, ein zwanzig Jahre altes Spiel ins Jahr 2019 hinüberzuretten. Nun, die Entwickler scheinen diesmal alles richtig gemacht zu haben. Die Spieler freuen sich über eine (nicht nur grafisch) neu verpackte Geschichte, Zusatzmodi und Gratis-DLCs, und allem voran die scheinbar perfekte Melange von Neu und Alt. Das ist schade. Bei all dem Freudentaumel gehen nämlich die wirklich interessanten Fragen vergessen. Wie keine andere Spieleserie steht Resident Evil im Zeichen einer wechselvollen Geschichte, die immer schon um das eine übergeordnete Problem kreiste: was sind Horrorspiele?
Adventures im Labor
Die in diesen Tagen auf Youtube, IGN und anderen Seiten geführten Debatten drehen sich in erster Linie ums Detail: welche Design-Entscheidungen der 90er hat Capcom im Remake verworfen, welche beibehalten? Und ist dies und jenes im Jahr 2019 noch zeitgemäss? Für viele ist der Fall klar – wo es passt, passt es, sowohl Kenner des Originals als auch Neueinsteiger in die Serie fühlen sich nun anscheinend heimisch. – oder eben nicht zu sehr, denn sie sollen sich beim Spielen ja gruseln. Das, was seit Resident Evil 1 jeder «Survival Horror» nennt, ist zurück, so das Verdikt. Doch was soll das überhaupt sein? Die kurze Antwort lautet: ein Marketingbegriff, um ein Spielkonzept besser zu verkaufen. Die lange: in der zweiten Hälfte der Neunziger verbanden Spiele wie Alone in the Dark oder eben das erste Resident Evil die aus PC-Adventures (wie z.B. Monkey Island) bekannten Rätsel mit rudimentären Action-Einlagen. Die Spielfigur steuerte sich behäbig (sog. «Tank-Controls») durch vorgerenderte Hintergründe, als Setting diente ein klassisches Horrorhaus oder eben die aus Teil zwei bekannte Polizeistation. In mal mehr, mal weniger glaubwürdiger Manier galt es dabei Puzzle-Gegenstände an den richtigen Orten einzusetzen und Schlüssel zu finden, um immer neue Teile der Spielewelt zu erschliessen und so einen Fluchtweg aus der langen Nacht zu finden. Meist führte dieser zufällig direkt in die Eingeweide eines unheimlichen Geheimlabors, in dem Zombies und andere nette Kreaturen gezüchtet werden. Sich dieser zu erwehren, machte wie erwähnt den zweiten Teil des Spasses aus. Mit Schrotflinte, Pistole oder Armbrust bewaffnet, geriet man indes in den Scharmützeln schnell in Nöte, da Ausweichen nur schlecht möglich war. Wurde man in den engen Gängen von einem der Zombies erwischt, hatte man keine andere Wahl, als die Attacke passiv über sich ergehen zu lassen – mit «Action», wie wir sie heute kennen, hatte das wenig zu tun, die war eher nebensächlich. Das dritte und wohl umstrittenste Element des «Survival Horrors» war aber die statische Kamera, welche die Figur bei ihrem Marsch durch die Gänge von Einstellung zu Einstellung aus dunkeln Winkeln beobachtete und so zu einem Schauspieler in einem gruseligen B-Movie machte.
Monströse Umwelt
Mit den drei genannten Zutaten versehen, begann Capcoms eigens kreiertes Genre einen Siegeszug, der nicht nur zahlreiche Fortsetzungen bis hin zu RE: Code Veronica hervorbrachte, sondern auch andere ähnlich gestrickte Spiele wie Dino Crisis und Fear Effect. Wie alle Marketing-Einfälle zielt der Begriff letztlich auf die Oberfläche, beschreibt aber die Grundidee kurz und bündig: der Spieler soll in einer maximal feindlichen Umwelt minimal handlungsfähig um sein virtuelles Leben kämpfen. Hinter jeder Ecke eine neue Gefahr witternd, versucht er, den nächsten Schlüssel, das nächste Puzzleteil zu finden und dabei seine Saves nichts aufzubrauchen – gespeichert werden konnte in Resident Evil nur mit einer begrenzten Anzahl an Farbbändern für die Schreibmaschine. Was machte «Survival Horror» mit all seinen spielerischen Widrigkeiten so erfolgreich? Vielleicht genau das: ähnlich, wie es schon Jahre früher Metal Gear vorgemacht hatte, versetzte einen Resident Evil nicht in die Rolle eines allmächtigen Marines, der alles über den Haufen mäht, sondern eines menschlicheren, glaubwürdigeren Helden – wie glaubwürdig eine Polizei-Spezialeinheit namens S.T.A.R.S eben sein kann. Das Konzept «Horror» war in Videospielen bisher auch ziemlich ungewöhnlich gewesen. Es schien zudem nur schwer umsetzbar: während andere Genres kein Problem damit haben, den Spieler Herr über seine Umgebung werden zu lassen (wie es vielleicht alle Spiele tun), musste der gespielte Horror die entgegengesetzte Richtung einschlagen. Ähnlich einer Gespenstergeschichte sollte die monströse Umwelt nicht für, sondern gegen einen arbeiten – gleichzeitig durfte sie den Spieler aber nicht frustrieren. Hinter allen Fallen, Widrigkeiten und Monstern sollte stets eine kleine Überlebenschance bestehen, die ihn vorantreibt und Hoffnung gibt – sodass nach langen, qualvollen Stunden eben doch ein Lichtblick erscheint. Die Hardcore-Fans des «Survival Horror»-Genres (manche würden sagen: in den Neunzigern Steckengebliebene) haben die Diskussion hinsichtlich der neueren, actionlastigen Resident Evil-Teile immer wieder auf das Problem der Monster gelenkt: statt in waghalsigen Stunts hunderte Zombies auf einmal zu erledigen, wollten sie lieber wieder wenige, aber gut platzierte Gegner und möglichst knapp bemessene Munition im Kampf gegen übermächtige Feinde. Das Gefühl der Machtlosigkeit, so sagen sie, macht für sie der Horror des Spiels aus. Dieses ist allerdings nur das Resultat der eigentlichen Formel: im Horrorgenre beherrscht der Spieler angesichts der allgegenwärtigen Bedrohung nicht die Welt, sondern sich selbst.
Eine Genrefrage
Die Debatte darüber, was denn nun das Rezept für das «richtige» Horrorspiel ist, hatte im Jahr 2005 Resident Evil 4 angestossen: als erster Teil der Reihe verzichtete er auf die statischen B-Horrormovie-Kameraperspektiven, gab dem Helden ein ausuferndes Waffenarsenal und liess ihn nicht mehr gegen Zombies, sondern Kultisten in einem abgelegenen spanischen Dorf antreten. Das Resultat war eines der innovativsten Spiele der Nullerjahre, rief aber auch vieleorts Verbitterung hervor: das sei zwar ganz nett, aber kein Resident Evil. Nach den noch absurderen Teilen fünf und sechs stand Capcom vor einem Problem: mehr Weltverschwörung ging nicht, und die Story hatte selbst für japanische Verhältnisse ein absurdes Level erreicht. Teil sieben, der wieder das klassische Horrorhaus-Setting aufgriff (dafür mit eher einfallslosen Anleihen an Texas Chainsaw Massacre und Saw) versuchte, so das Credo, wieder einen Schritt in die richtige Richtung, indem er sich mit den Gegnermassen und dem Geballer zurücknahm. Allerdings griffen die Diskussionen auch hier wieder zu kurz, denn würde «Survival» Horror» der Kampf gegen übermächtige oder resistente Gegner bedeuten, könnte man auch Dark Souls zum Genre zählen; würde man Ressourcenknappheit als Kriterium anführen, käme sogar ein Age of Empires in Frage. Selbst die Ästhetik bietet lediglich Anhaltspunkte: denn das Aussehen so mancher Bloodborne-Bosse kann einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Man sieht, die Streitfrage um die richtige Einordnung scheint müssig und führt letztlich zum Verdacht, es handle sich bei «Survival Horror» tatsächlich nur um eine leere Marketing-Hülle. Doch lässt sich nicht abstreiten, dass Capcom, als Resident Evil das Licht der Welt erblickte, etwas Neues geschaffen hatte (darum der Versuch einer neuen Bezeichnung). Das Neue war letztlich weder die Spielmechanik – jeder ihrer Teile existierte für sich schon vorher – noch die Poetik – welche deutlich auf George A. Romero Bezug nahm – sondern die enge Verbindung zwischen Mechanik und Poetik.
Räume und Ökonomie
Wie setzt «Survival Horror» diese Verbindung um? Wie im vorletzten Abschnitt bereits angetönt, ist Leitprinzip eines Horrorspiels die Selbstbeherrschung. Der Panik und dem Unbehagen, welche die unheimliche Umgebung beim Spieler auslöst, darf nicht nachgegeben werden – denn um den Horror zu überleben, braucht man ruhig Blut. Bekannte Slasherfilme von Halloween bis hin zu Scream arbeiten mit genau derselben Prämisse: wer die Nerven verliert, stirbt zuerst. Als spielerisches Äquivalent setzt Resident Evil dieses Prinzip in eine ausgeklügelte und zugleich belastende Ökonomie um. Da nur wenige Gegenstände mitgenommen werden können (im Original waren es acht bzw. sechs Item-Slots), findet man sich einem Dilemma wieder: folgt man einer zu raffgierigen Spielweise, läuft man in Gefahr, die eigentlich wichtigen Schlüsselgegenstände nicht mehr aufnehmen zu können. Nimmt man hingegen zu wenig Items mit, muss man damit rechnen, eine Monsterbegegnung ohne Heilmöglichkeit überstehen zu müssen. Und da Ausweichmanöver nur sehr beschränkt funktionieren, wird man früher oder später garantiert Verletzungen einstecken. Kritiker warfen John Carpenters Halloween-Film das Klischee des Final Girl vor: das «letzte Mädchen» bzw. die einzige Protagonistin, die dem Killer am Ende entgeht, ist zumeist auch die keuscheste. Nur das Mass-Halten – in diesem Fall in sexueller Hinsicht – garantierte in der Logik des Horrors das Überleben. In Resident Evil ist das richtige ökonomische Mass von entscheidender Bedeutung. Nur, wer mit den richtigen Gegenständen in angemessener Weise haushaltet, hat eine Chance, dem Bösen zu entkommen. Ironischerweise verstand sich etwa Romeros Dawn of the Dead, in dem sich die Überlebenden der Zombieapokalypse in einem leeren Einkaufszentrum verschanzen, gerade als Kapitalismuskritik. Gemeinsam bleibt Resident Evil und Romeros Zombiefilmen aber dennoch: panic kills. Und nicht nur hier zeigen sich tiefere Verbindungen zwischen der Poetik des Quellenmaterials und der Spielmechanik. Zu den Ängsten, die Horrorfilme bedienen, gehören neben der Allgegenwart von Killern und Monstren auch häufig Isolation und Klaustrophobie. Filme wie Cube machten es exemplarisch vor: der leere Raum selbst, eine endlose Aneinanderreihung von gleichen Würfeln, scheinbar ohne Sinn und Zweck erbaut, wird zum unsichtbaren Feind. Ganz so zusammengewürfelt sind die Räume des Herrenhauses in Resident Evil 1 natürlich nicht. Wer die berühmt gewordenen Türanimationen kennt, die eigentlich als Ladebildschirm zwischen den einzelnen Räumen dienten, wird jedoch feststellen, dass «Raum» im Horrorspielklassiker schnell eine ungeahnte Bedeutung erhält. Musste Cube auf eine Art Spiegelkabinett zurückgreifen, um die klaustrophobische Wirkung von Räumen deutlich zu machen, erreicht Resident Evil diese Wirkung durch die Spielmechanik. Jeder neue Raum scheint zunächst als eine unentrinnbare Falle: da die Zombies keine Türklinken bedienen, bricht man stets als ungebetener Gast plötzlich zu ihnen ein; bei der Wanderung durch das dunkle Anwesen wird man so abrupt immer wieder aufs Neue «eingesperrt»; vom Fluchtweg abgeschnitten manchmal durch fehlende Schlüssel, immer aber durch die Ladeanimation. Anders ausgedrückt: in Resident Evil gibt es keine offenen Räume, selbst wenn sie es sind. Effektiv wird die Klaustrophobie durch die Musik unterstützt: Manche Stockwerke des Hauses besitzen ein eigenes Thema, andere wiederum sind gänzlich still; so wechselt man in stetiger Angespanntheit zwischen Ruhe und Bewegung hin und her. Zu guter Letzt kommen natürlich die Kameraperspektiven und «Tank Controls» hinzu. Offensichtlich setzen sie, wie von den meisten Spielern bemerkt, das um, was man im Horrorfilm den bösen Blick des Killers nennen könnte. Resident Evil ist ein einziges, in die Länge gestrecktes setting the scene, wenn man so will: die auf der Lauer liegende Kamera deutet in dem Moment, da die nichtsahnende Figur das Haus betritt, schon an, dass im nächsten Augenblick etwas passieren wird. Dass in den seltensten Fällen wirklich etwas passiert, (oder vielleicht nur ein dubioser Verbündeter ungeahnt die Bühne betritt), erhöht die Spannung nur und hält einen bei Resident Evil für die ganze Spieldauer bei der Stange. – Einige gut eingebaute Jump Scares gibt es dann doch hin und wieder.
Der dunkle See
Lässt man die schlechten Dialoge weg, die das B-Movie-Flair am deutlichsten rüberbringen, lassen sich für den «Survival Horror» des Spiels abgesehen vom Film auch andere «Horror»-Medien als Quellen deuten: namentlich Bilder. Vielleicht nicht gerade im Sinne von «bildender Kunst», von Botticelli und Da Vinci – so weit lohnt es sich auch gar nicht zu gehen –, aber doch in grundlegender Funktion. Schweifen wir durch das Horrorgenre, kommen einem hinsichtlich Bilder Geschichten wie «Das Porträt» von Nikolaj Gogol in den Sinn. (Zumindest dem literarisch Ge-bild-eten … haha). Eine teuflische Figur steigt des nachts, plötzlich lebendig geworden, aus einem Bild im Atelier eines armen Künstlers. Nacht herrscht – wie immer – auch in Resident Evil, doch vor allem eine Nacht wie diese. Technisch gesehen ist die Tatsache, dass sich nichts als Teil des vorgerenderten Hintergrundes bewegen kann, vielleicht ein Nachteil. Ästhetisch gesehen bringen die starren Bilder ungeahnte Dimensionen in das Spiel. Wer je die makabren Bilder eines Albrecht Dürer oder «Höllenbreugel» betrachtet hat, stellte sich vielleicht die unangenehme Konsequenz der erwähnten gogolschen Begebenheit vor. Genau darauf spielt Resident Evil an: gerade das, was nicht sein sollte – die Bewegung des Unbewegten – ist die grosse Angst, die grosse Gefahr. Der Verstand weiss: was nicht geht, kann nicht sein. Seit Lovecraft weiss er aber auch: «That ist not dead which can eternal lie …». Und damit müssen nicht einmal die Zombies gemeint sein; denn im alten PS1-Schinken war das, was sich bewegen konnte (Zombies), und das, was sich nicht bewegen konnte (Hintergrund), durchaus immer unterscheidbar – doch die zunehmende Paranoia setzte sich schnell über die technischen Limitationen hinweg. Als drittes und letztes trägt auch die Literatur selbst – wenn auch nicht wirklich als Spielmechanik – ihren Teil zum Horror bei. Sätze wie «draussen sehen Sie eine dunklen See …» füllten imaginativ die Lücken aus, welche die schwache Hardware damals schufen.
Verbindungen
Die Elemente, die den «Survival Horror» ausmachen, können also jeweils mit bestimmten Merkmalen des Horrors allgemein, sei es in Film, Bild oder Buch, in Verbindung gebracht werden. Wie unterscheiden sich aber diese Verbindungen von anderen Gemeinsamkeiten zwischen Spiel und anderen Medien? Zum einen ist es wie erwähnt die Stärke der Verbindung. Sind das ausufernde Inventar des Helden in einem Rollenspiel und eine an Gütern reiche Fantasywelt vielleicht durchaus assoziativ verbunden, besteht kein engerer Zusammenhang zwischen (Item-)Ökonomie und der Welt selbst. So lässt sich die Absurdität erklären, dass man am Schluss von Oblivion und Skyrim immer zum reichsten Mann des ganzen Universums aufsteigt. Im «Survival Horror» scheinen sich die Spielmechaniken zwingender mit den Prinzipien des Horrors zu vereinen. Die Langsamkeit der Spielfigur verstärkt das Angstgefühl, die Rätsel und Räume die Klaustrophobie usw. Natürlich ist es nicht gerade logisch, dass sich der Schlüssel für eine Tür im anderen Flügel des Polizeipräsidiums unter einem Topf befindet, aber die Logik des Horrors gebietet es, dass vielleicht beim dritten Mal, bei dem man deswegen denselben Gang entlangläuft, plötzlich ein Zombie hinter der Ecke hervorschlurft. Final Fantasy 6 hatte es 1994 ganz ähnlich gemacht: das Magiesystem und die Welt, in der FF6 spielt, stehen nicht einfach nebeneinander, sondern ergänzen sich: in der Geschichte war nämlich die Fusion der Menschen mit Magitek-Technologie bzw. ihre Beziehung zu den magischen Wesen, den Espers, entscheidend. Zum anderen: wenn wir heute an Film-Spiel denken, kommen einem vielleicht Games wie Uncharted in den Sinn, die gewissermassen ein einziges grosses Quicktime-Event veranstalten (wobei übrigens die Erfindung von Quicktime Events auf RE4 zurückgeht …), bei Resident Evil gestaltet sich die Sache aber nicht ganz so einfach. George A. Romeros Zombiefilme beeinflussten die ersten RE-Games natürlich massgeblich, dennoch lässt sich nicht abstreiten, dass die erwähnten Elemente wie das Spiel mit dem geschlossenen Raum oder die ökonomische Selbstbeherrschung so bislang für das Horrorgenre allgemein noch Neuland waren und es bis jetzt immer noch sind. RE ist deshalb ein eindrückliches Beispiel für mediale Transzendenz und dafür, dass Spiele unser bisheriges Verständnis für ästhetische Merkmale durch ihre Mechaniken auf entscheidende Weise beeinflussen. Resident Evil 1 war keine einfache Übertragung von Romero auf die Videospielwelt, sondern viel mehr als das.
Das Remake
Die Eingangsfrage, was ein Horrorspiel ausmacht, hört somit, wie wir gesehen haben, nicht dort auf, wo Zombies und Controller zusammenkommen. Resident Evil schuf in seinem Ursprung neue Grundlagen für das Horrorgenre als solches. Ob dabei das Wort «Survival Horror» letztlich Unsinn ist oder nicht, es führt uns zurück zum kürzlich erschienen Resident Evil 2 Remake. Das Spiel versucht dort weiterzumachen, wo spätestens Code Veronica aufgehört hat, und versteht sich als Wiedererweckung des Genres. Nach der obigen Analyse sehen wir die Sache wohl etwas nüchterner. Es lässt sich nicht abstreiten, dass sich durch die Modernisierung Dinge geändert haben, welche die Eigentümlichkeit von Resident Evil ausmachten: weg sind die Ladebildschirme zwischen den Räumen, weg auch die paranoide Kameraperspektive und die «Tank Controls». Heute wird in der «Over-the-shoulder»-Perspektive geschossen und die persistenten Zombies folgen einem überallhin. Die meisten Spieler danken es Capcom. Zweifelsohne lässt sich das Remake auch besser spielen und sorgt für weniger Frust-Tode. Dennoch haben die Anpassungen, und seien sie spielerisch noch so sinnvoll, ihren Preis. Gerade die fliessende Verbindung der Räume vermindert das Gefühl der Klaustrophobie und führt manchmal zu ungewollt komischen Situationen (denn manche Räume sind für die Zombies immer noch ein No-Go …). Und so ausgeklügelt die Zombie-Schiesserei jetzt ist, machte sie ja nur einen kleinen Teil des Originals aus, das mit seinem langsamen Tempo fast schon meditative Zustände hervorrief. Nun, waren die obigen Ausführungen nur eine elaborierte Version von «nothing beats the original»? Vielleicht. Der Hype um das Remake scheint zusätzlich etwas überrissen, wenn man bedenkt, dass viele Kleinigkeiten den Spass schmälern. Schade etwa, wurde an den meisten Stellen die Musik weggelassen. Die Kampagnen der beiden Hauptfiguren Leon und Claire beeinflussen sich zudem nicht mehr gegenseitig, sondern spielen weitgehend unabhängig voneinander. Soweit ich mich erinnere, mussten die Protagonisten auch nicht bei jeder Gelegenheit fluchen. Und zu guter Letzt enthüllt die frei bewegbare Kamera ein Racoon City, in dem rundherum Leere herrscht statt Chaos. Alles in allem verbindet das Spiel diesmal vielmehr eher Gaming-Äras statt verschiedene Medien. Bei der erfolgreichen Amalgamierung moderner Spiele mit den 90ern ist abzusehen, dass weitere Remakes dieser Art funktionieren können. Doch: auf eine Revolution, wie sie der «Survival Horror» eigentlich erschuf, muss die Welt wohl noch ein wenig warten.
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