Von JÁNOS MOSER.
Der sechste Teil der berühmten Resident Evil-Reihe steht seit ein paar Tagen in den Geschäften. Kritiker zerreissen sich das Maul und die Begeisterung hält sich in Grenzen. Das Spiel sei zu überladen, habe zu wenig Fokus, der Plot sei zu verwirrend und die wenigen guten Spielszenen würden durch Unmengen von Schwachstellen gedämpft. Ey, alda, soll das nicht ein Review über Resident Evil 2 werden? Ja, soll es, aber um die Grossartigkeit des zweiten Teils besser hervorzuheben, muss ich auf die Schwäche des neusten Teils hinweisen. Scherz.
Horror
Schwächen hin oder her, auch wer die letzten paar Resident Evil-Spiele nicht angerührt hat, wird wohl eine allgemeine Ahnung davon bekommen haben, in welche Richtung sich die Reihe bewegt. Seit dem vierten Teil (der ein eigenes Review verdient) sind die starren Kameraperspektiven verschwunden, der Spieler blickt stattdessen über die Schulter der Figur und ballert den Zombies oder Mutanten die Rübe weg. Munition ist nicht mehr knapp, und wenn ich mich richtig erinnere, war die RE-Reihe auch eine der ersten, die Quicktime-Events prominent ins Spielgeschehen einbauten. So weit, so gut. Wo es Veränderungen gibt, sind auch langweilige Weltuntergangsprediger nicht mehr weit und so wurde viel und oft über den „Untergang des Horrors“ geschrieben. Aber was war dieser Horror eigentlich, dem die Prediger nachtrauern? Und was gibt es Besseres zur Beantwortung dieser Frage, als einen Old-School-Resi-Teil anzuschauen?
Ein altes Szenario
Man mag es kaum glauben, aber die Idee der verschiedenen Szenarios, die sich in Teil 6 überschneiden, ist nichts Neues. Gerade im zweiten Resi-Spiel wurde das Ganze gross angepriesen. Je nachdem, ob man mit Männlein oder Weiblein lieber spielte, konnte man sich entweder mit Leon S. Kennedy oder Claire Redfield auf die Socken machen. Pompös der Anfang: Nach einem Crash mit einem explosionswütigen Lastwagen werden die beiden Spielfiguren weggeschleudert und landen auf jeweils einer Seite der Unfallstelle. Natürlich blockiert das Wrack jegliche Verbindung – ausser über Funk. Jetzt heisst es erst mal weg von den Zombies und rein in den nächsten Waffenladen, wo die Untoten schon mal den Shopkeeper als Dessert verspeisen. Mein Puls ist auf hundertneunzig. Horror, denke ich, der absolute Horror. Wirklich? Wenn ich es mir recht überlege, waren die bisherigen Spielszenen doch ganz actionreich. Zu einer Verschnaufpause kommt das Spiel erst, nachdem man die Polizeistation betreten hat. Man merkt schon, worauf das hinausläuft: so ganz unverblümt sollte man den Begriff „Horror“ für die Resident Evil-Reihe vielleicht ohnehin nicht anwenden. Resident Evil war und ist immer auch Action, Drama, Explosion. Dem Spiel eine reine „Horror“-Atmosphäre zuzuschreiben, käme dem Versuch gleich, den Geschmack einer Gurken-Sahne-Schokoladentorte nur mit „Gurke“ zu bezeichnen. Das Beklemmende an Resident Evil 2 war vielleicht nicht einmal die Kamera oder die Gegnermenge, sondern die Spieldynamik – und die hat mit den neusten Teilen so gar nichts mehr gemein. Aber seien wir ehrlich: Heute ein Spiel mit der Steuerung von Resident Evil 2 zu fabrizieren, würde im Tod jedes Entwicklerstudios enden.
Froher Geburtstag
Na also: Leon – oder Claire – hat es endlich in die Polizeistation geschafft. Ab hier schaltet das Spiel zwei bis drei Gänge runter und zum ersten Mal kommt das klassische Haunted-House-Feeling auf. Was ist das? Die Polizeikollegen haben für Neuankömmling Leon eine Willkommensparty veranstaltet. Leider sind alle Partygäste schon tot. Zu allem übel hinzu verwandelt sich der letzte Überlebende mitten im Gespräch in einen Zombie. Eine grossartig furchterregende Szene. Oder wer ist dieses seltsame Mädchen, das vor Claire davonläuft, sobald sie einen Raum betritt? Der Plot von Resident Evil 2 erhält durch die verschiedenen Perspektiven seine ganz eigene Note und es lohnt sich, das Abenteuer mindestens zwei Mal anzugehen. Es ist beinahe kinoreif – auch das ist etwas, was die Nachfolgespiele logischer- und konsequenterweise weiterentwickelt haben. Die Grundsteine für den vierten, fünften oder auch sechsten Teil sind also alle schon längst gelegt. Ansonsten erwartet uns das alte Survival-Gameplay: Wir suchen nach Schlüsseln, öffnen Türen, lesen Tagebücher von Wachmännern oder flüchten vor wildgewordenen Riesenalligatoren. Nach und nach arbeiten wir uns immer weiter vor, verstricken uns immer tiefer in Katakomben oder Geheimlabors. Ein Viech in der Klasse der Geheimlabor-Zombies aus Resident Evil 1 hat es leider nicht ins Spiel geschafft. Trotzdem: Wir spüren das etwas behäbigere Retro-Spieltempo und fühlen uns gleich zu Hause. Bis zum Schluss bleibt das in etwa gleich, bis es dann wieder anzieht und das Spiel in einem furiosen Finale endet.
Technik
In Sachen Technik – es wird immer wieder gerne gesagt – war Resident Evil 2 zu seiner Zeit sehr fortschrittlich. Die Figuren hatten verglichen mit damaligen Verhältnissen unzählig viele Polygone (gibt´s sowas heute überhaupt noch?) und die Soundkulisse weiss auch anno 2012 zu gefallen. Düstere, atmosphärische Streicher oder Klavierklänge begleiten einen durch die Gänge. Und irgendwie habe ich das Gefühl, bei jedem Horrorgame dasselbe zu schreiben, aber was lässt sich machen, wenn´s eben so ist? Nett sind auch die dazwischengestreuten CGI-Sequenzen, auch wenn sie heute nur noch müdes Schulterzucken auslösen. Abzug gibt´s aber für die Animationen: Die sehen teilweise schon sehr drollig aus und sorgen eher für Lachkrämpfe als für kalte Schauer (bestenfalls beides). Neben Resident Evil 4 hat der zweite Teil die bislang abwechslungsreichsten Schauplätze, die nur so vor Atmosphäre strotzen. Ich denke da an den leeren Konferenzraum oder den Bus in Racoon City. Mein einziger Kritikpunkt an der Story ist die Umbrella Corporation – schade, musste für die Krise bloss ein 0815-„böser“ Konzern hinhalten. Aus der Geschichte mit Sherry und co. hätte man diesbezüglich noch ein bisschen mehr rauskitzeln können; doch genug gespoilert.
Fazit
Resident Evil 2 wird von vielen Fans als der beste Teil der Reihe angesehen. Wie wir nach diesem kurzen Rückblick erfahren haben, wahrscheinlich zu Recht. RE2 macht vieles richtig und nur weniges falsch. Die Entwickler haben die richtige Mischung aus Drama, Action und Horror gefunden und ziehen sie konsequent bis zum Schluss durch. Die Atmpsphäre ist gut, der Spielfluss in Ordnung und die Spannung immer da. Es gibt vieles, was die zukünftigen RE-Teile von diesem alten Playstation-Game lernen könnten. Zum Beispiel, wie man eine richtige Willkommensparty schmeisst.
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