Von JANOS MOSER.
From Software hat wieder zugeschlagen. Nach Demon’s Souls, Dark Souls I & II steht nun der inoffizielle Nachfolger der knüppelharten Spielereihe in den Läden. Hardcoregamer haben sich schon mal vorfreudig in die Hände gespuckt. Doch ob die Bluthatz wirklich hält, was sie verspricht, oder ob die stets grösser werdende Fangemeinde mal wieder ungewollt für Weichspülmittel gesorgt hat?
Monsterjagd
Yharman, so heisst die Stadt, in der euer frisch erstellter Held erwacht. Erst einmal seid ihr völlig auf euch allein gestellt. Weder erfahrt ihr, warum eure Spielfigur hier ist, noch, worin eure Aufgabe besteht. Wer die Geschichte der Stadt, die man die folgenden Stunden durchstreift, wirklich erfahren will, muss sich auf Spurensuche begeben. Die Cutscenes im Spielverlauf enthüllen nämlich so gut wie keine Hintergrundinformationen und auch die meisten NPCs geben nichts als unverständliches Gebrabbel von sich. Irgendwie scheint es um die Blutrituale einer Kirche zu gehen, die alle Menschen nach und nach in Bestien verwandelt hat. In der „Nacht der Jagd“ ist es euer Ziel, die gefrässigen Horden aufzumischen, und da gab es eine Bluttransfusion, und was und wie? Bei einem Game wie Limbo, das ohnehin ohne Worte auskommt, mag das Wirre ja noch angehen, aber bei Bloodborne ist das etwas schade. Die beeindruckenden gotischen Bauten und zerfallenen Ruinen sind durch und durch düster-viktorianisch angehaucht verlangen geradezu nach einer ausgeklügelten Ghost Story oder zumindest etwas im Stil von Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Jedenfalls scheint euer Zufluchtsort der sogenannte „Traum des Jägers“ zu sein, ein geheimnisvolles Traumreich zwischen den Welten. Dahin befördert euch euer erstes Ableben im Kampf gegen einen blutrünstigen Werwolf. Habt ihr die unsanfte Landung verdaut, greift ihr euch dort eine der angebotenen Anfangswaffen. Erwischt ihr die falsche, kann euch das erste Gebiet ziemliche Schwierigkeiten bereiten. Der Traum dient jedenfalls fortan als Zufluchtsort, wo man auflevelt und Gegenstände kauft, indem man sogenannte „Blutechos“ ausgibt. Die sind das Äquivalent zu den Seelen in den Vorgängerspielen und werden entweder durch Spezialgegenstände erworben oder auf normalem Weg durch das Töten von Bestien. Klassischerweise verliert man alle gesammelten Blutechos, sobald man stirbt, erhält aber eine zweite Chance, sie dort wieder aufzuheben, wo man sie liegengelassen hat – vorausgesetzt, kein Gegner hat sie sich geschnappt, den es dann wiederum ins Jenseits zu befördern gilt. Wenigstens macht das noch einigermassen Spass, da sich das Monsterdesign z.T. bei Lovecraft orientiert.
Geschwindigkeit
Im Gegensatz zu Dark Souls hat Bloodborne einen Zacken zugelegt. Gefordert ist auch kein defensiver Spielstil mehr, sondern schnelles Ausweichen und Angreifen à la God of War. Zwar gibt es ein Holzschild, aber dieses ist so nutzlos wie ein Germanistikstudent. Selbst wenn ihr euer Heil in der Flucht sucht, setzen euch manche Gegner verflucht hartnäckig nach. Es gilt: learning by doing. Werft ihr das Gamepad nach den ersten paar gescheiterten Versuchen frustriert in die Ecke, lassen sich die Bewegungsmuster der Gegner nach und nach voraussehen und entsprechende Angriffe starten. So hilft auch das Grinden (übermässiges aufleveln) nur bedingt, da die Monster ebenfalls immer stärker werden. Besser zu werden heisst bei Bloodborne vor allem an seinen eigenen spielerischen Fähigkeiten zu feilen. Die Palette an Ausrüstung hat sich drastisch verringert. Auch hier scheint sich From Software eher an God of War orientiert zu haben als an klassischen RPGs wie noch die Vorgänger. Rüstungen bieten, abgesehen von minimen Statusänderungen, vor allem etwas fürs Auge, Die Waffen haben aber ein cooles Feature: beinahe jede lässt sich per Knopfdruck auf beeindruckende Art verwandeln. So entsteht aus einem dünnen Schwert ein Riesenhammer, aus einem Spazierstock eine Peitsche und ein Rapier verschiesst auch gleichzeitig Gewehrkugeln. Apropos Kugeln: Linker Hand trägt euer Held nach Lust und Laune rostige Schiesseissen von der Kanone zum Flammenwerfer. Alle Angriffsformen lassen sich indessen in schneller Folge kombinieren, so entsteht ein Flow, den man in Dark Souls noch vermisste ( – was nicht heisst, DS sei ein schlechtes Spiel.) Insgesamt ist Bloodborne eher auf Nahkampf ausgelegt. Wer Gegner bislang für gewöhnlich aus der Ferne beharkte, muss umdenken. Wo From Software ebenfalls geschraubt hat, ist natürlich die Grafik, die auf Next-Gen-Stand aufgemotzt wurde – wenn auch nicht auf das Niveau eines The Order, aber das spielt nicht so eine grosse Rolle. Der Soundtrack ist schön atmosphärisch-gruselig und passt sich gut der Stimmung an. Wenn es an der Technik etwas auszusetzen gibt, dann sind es die teils irritierenden Glanzeffekte – allzu oft kann es vorkommen, dass man eine glänzende Pfütze für ein herumliegendes Item hält.
Labyrinth
Der bei Dark Souls 2 noch häufig bemängelte Schwachpunkt der zusammenhangslosen Gebiete wurde bei Bloodborne ausgemerzt. Alle einzelnen Gegenden sind auf teils mehr, teils weniger glaubwürdige Weise miteinander verknüpft (ein verwunschener Wald unter einer Grabstätte?) – ausgeklügelt, wenn auch nicht Metroid-Niveau. Bekannte alte Schwächen der Reihe – manche würden es als Stärken bezeichnen – wurden übernommen. So ist die Story beispielsweise (wie erwähnt) bis zum Schluss nie richtig erklärt, und die wenigsten Anfänger dürften wirklich den Durchblick haben, was z.B. die anfänglichen Charakterklassen angeht. So kann man auswählen, ob der Charakter eine „Schwere Vergangenheit“ gehabt haben soll. Dass dies keinerlei Auswirkungen auf die Story, sondern nur auf die Stats hat, kann man zu Beginn unmöglich wissen – ich für meinen Teil sass deswegen fünf Minuten grübelnd vor dem Menübildschirm. Ähnlich ist es mit anderen Details wie unverständlichen Itembeschreibungen. Was ist „Einsicht“? Was machen diese „Kelche“? Das alles muss man selbst herausfinden. Bloodborne führt einen nicht an der Hand, man mag es verteufeln oder nicht. Die Spielzeit beträgt beim ersten Durchlauf etwa 35 Stunden, Puristen dürfen sich an das berühmt-berüchtigte „New Game Plus“ heranwagen, d.h. ein neuer Durchlauf mit stärkeren Gegnern. Allzu viel ändert sich aber hier nicht; wenn man nicht jedes Item haben will, hält sich die Motivation in Grenzen.
Multiplayer
Ein besonders spassiger Aspekt von Bloodborne ist der Multiplayer-Modus. Läutet man eine Glocke, kann man entweder in die Welt eines Mitspielers gesogen werden oder einen herbeirufen; es entstehen spannende Koop-Gefechte (zumindest, solange der Boss im jeweiligen Gebiet noch nicht besiegt ist). Schade nur, dass das Herbeirufen bzw. Gerufenwerden zum Teil sehr lange dauert. Hinzu kommen noch die langen Ladezeiten nach dem Ableben, und die Tatsache, dass man nur per Zwischenstopp im „Traum des Jägers“ reisen kann, was das Verabreden mit Mitspielern (etwa mit Freunden) sehr umständlich macht. Trotz Levelbegrenzung wird Bloodborne mit einigen Mitspielern jedenfalls sehr schnell ziemlich einfach und nimmt dem Spiel etwas von seinem Nervenkitzel. Vorausgesetzt, es tritt kein Speicherburg auf – was mir im ersten Gebiet zwei- bis dreimal passiert ist.
Fazit
Waren die Souls-Teile ein Höllenritt durch eine düstere Fantasywelt, ist Bloodborne ein Expresszug geradewegs in den Tartarus selbst. Je nach Geschwindigkeit des Spielstils kann man das Game entweder sauschwer oder relativ erträglich finden – bei mir ist als GoW-erprobter Kämpfer wohl das letztere der Fall. Aber was auch immer eure Meinung dazu ist: seht euch einen der besten bisherigen Exklusivtitel für die PS4 auf alle Fälle an.
Zum Schluss noch dies:
1) Wer hat sich die Übersetzung „Rom, die geistlose Spinne“ ausgedacht?
2) Warum segnet euer Charakter noch mitten in der Luft das Zeitliche, wenn er in die Tiefe stürzt?
3) Warum muss ich mir bei jedem Ladebildschirm den „Bloodborne“-Schriftzug ansehen?
Nummer drei wurde mittlerweile immerhin per Patch behoben.
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