Freies Feld

Resident Evil 7

Von JÁNOS MOSER.

Resident Evil, das Sorgenkind der Horrorfans. Wagte sich Capcom im vierten Teil bekanntermassen mit Erfolg auf neues Terrain, mutierte die neu gefundene, actionorientierte Formel mit Teil fünf und sechs schnell in ein hirntotes Ballerfest, das nur noch wenig mit dem ursprünglichen Horror der Reihe zu tun hatte. Alle Hoffnungen lagen nun auf Resident Evil 7, das zu den Wurzeln der Serie zurückkehren sollte. Aber ist das auch geglückt?

Ego-Perspektive

Wer je einen RE-Teil gespielt hat, wird sich bei den ersten Spielminuten von RE7 erst einmal die Augen reiben: die Third-Person-Perspektive wie auch die starren Kameraperspektiven haben sich verabschiedet. Stattdessen folgt der Spieler der Geschichte in der Ego-Ansicht. Die Story dreht sich um eine verrückte Hinterwäldler-Familie in den Südstaaten, die von einem mysteriösen Virus befallen wurde. Ethan, der Hauptcharakter, fährt zum verfallenen Familiensitz, um seine entführte Freundin zu retten – sprich: die alten Serienhelden Leon und co. sind Vergangenheit. Ist das überhaupt noch Resident Evil? Bis auf einige kurze Cameo-Auftritte hat RE7 nämlich scheinbar gar nichts mehr mit den alten Teilen zu tun. Aber eben nur scheinbar: die ersten Schritte im Baker-Anwesen erinnern erfreulicherweise stark an den Horror im verwinkelten, wie ausgestorbenen Herrenhaus des ersten Teils (und ein wenig an das gecancelte Silent Hills). Mit dem Unterschied, dass die Südstaaten-Hütte von einer lebendigen Familie bewohnt ist, mit der man bald unliebsame Bekanntschaft schliesst. Die Bakers sind sowas wie die Game-Version des Personals von Texas Chainsaw Massacre: degenerierte Rednecks, die einem penetrant auf den Leib rücken. Also durchaus eine Abwechslung zu den ewiggleichen Zombies – diese hat jedoch einen Preis. Die Dialoge und allem voran die deutschen Synchronstimmen der Bakers klingen zuweilen unfreiwillig komisch. Spätestens, wenn das zum Monster mutierte Familienoberhaupt brüllt, Ethans Begleiterin solle ihren „Arsch zurück ins Haus“ bewegen, fragt man sich, was das überhaupt soll. Wollten einen die Entwickler das Fürchten lehren oder eine Parodie auf die Beine stellen? Auch die RE1-Dialoge waren schlecht, ohne Frage. Die hatten aber zumindest einen gewissen Kultstatus und fingen den Geist von Romeros berühmten trashigen Zombiefilmen ein.

Mischmasch

Wie dem auch sei, das Horrorgenre hat sich ja allmählich weiterentwickelt. RE7 versucht damit Schritt zu halten, indem es dem Spieler einen Mix aus den Horrorerfolgen der letzten fünf bis zehn Jahre vorsetzt. Ein unheimliches Mädchen à la The Ring, Psychospielchen wie in Saw, ein Motion Tracker aus Alien: Isolation und wie erwähnt die Chainsaw Massacre-Filme. Die Rolle der Zombies haben nun die sogenannten „Molded“ übernommen, langsame Schleim(pilz)monster, die aus den Wänden kriechen. Das alles ist nicht sonderlich originell und stört vorallem dann, wenn die Atmosphäre darunter leidet. Deformierte Babypuppen mögen ja mit der Geschichte zu tun haben (Stichwort Mädchen), aber wenn gleich ganze Wände damit tapeziert sind, verlieren sie ihren Schrecken. Nur, weil sie in Silent Hill funktioniert haben, funktionieren sie in einem Horror-Eintopf wie RE7 noch lange nicht. Aller Kritik zum Trotz wartet das Spiel jedoch mit einigen guten Schockmomenten auf, die teils an die Oldschool-RE-Teile erinnern, teils gänzlich neu sind und selbst Horrorspielveteranen verwundert in den Bildschirm starren lassen. Hier kommt besonders die Ego-Perspektive zum Tragen, zumal das Game mit Playstation VR kompatibel ist. Insgesamt hat RE7 hinsichtlich Atmosphäre starke und schwache Momente. Der letzte Teil des Games wirkt wie eine Streckung, der vorangehende auf dem verlassenen Schiff zaubert dafür klassisches RE-Feeling. Zuletzt verdienen die Videosequenzen eine besondere Erwähnung: mithilfe von Videokassetten ist Ethan in der Lage, vergangene, auf Video gebannte Ereignisse im Baker-Anwesen live „nachzuspielen“. So entdeckt man Geheimgänge oder die Lösung eines Rätsels, bevor man selbst an die entsprechende Stelle im Spiel kommt.

Träge Steuerung

Sowohl Lob als Kritik verdient auch die technische Umsetzung. Bei der erwähnten Ego-Perspektive denken bestimmt viele zunächst an ein Call of Duty im Horrorsetting – glücklicherweise ist das nicht der Fall. Die Steuerung ist für einen „Shooter – was RE7 definitiv nicht geworden ist – sehr träge und beschwert einem zu Beginn einige Bildschirmtode. Das kann einen frustrieren, da das Überleben allzu oft von Glück abhängig ist. Gleichzeitig wird so das Verwalten der Items und Munition wieder wichtig, also genau das, was RE-Fans der ersten Stunde vermisst haben. Ethan ein bisschen agiler zu machen wäre trotzdem nicht schlecht gewesen; jedenfalls bleiben Horrorgames in Sachen Steuerung immer eine schwierige Gratwanderung. An Grafik und Sound gibt es wenig auszusetzen. Ähnlich wie in Alien: Isolation trägt die Geräuschekulisse dazu bei, das Unheil zu verstärken: allerorts knackst, scheppert und klopft es. Das ist zwar nicht so gut umgesetzt wie im Vorbild, sorgt aber für die nötige Stimmung. Grafisch bewegt sich RE7 im gehobenen Mittelfeld. Manche unschöne Texturen erinnern daran, dass das Spiel gewissermassen als VR-Experiment angelegt wurde – aber auch ohne VR-Brille kommt man auf seine Kosten.

Fazit

Kurz gefasst ist RE7 nicht der geniale Serienneustart geworden, den sich manche erhofft haben mögen. RE war früher der Vorreiter in Sachen Horrorgames. Mit neuer Perspektive und Geschichte wollte Capcom diese Stellung wohl wieder für sich beanspruchen. Spiele ähnlicher Machart wie Alien: Isolation haben RE7 jedoch aber bereits den Rang abgelaufen, indem sie nicht versuchten, ein Gemisch bekannter Franchises zu sein. Das Sprichwort „gut geklaut …“ kommt einem in den Sinn. Nur ist RE7 eben eher mittelmässig im Klauen gewesen; so entstand ein solides Spiel, das aber letzten Endes nicht alle Versprechen erfüllen kann. Ethan bleibt eine eher unscheinbare Figur, die in uns den Ruf nach Leon und co. wieder weckt. Aber diesmal bitte nicht mit Weltverschwörungen und explodieren Autos.

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Dieser Beitrag wurde von Yoshi geschrieben und am 12. Juni 2017 um 12:55 veröffentlicht. Er ist unter Reviews abgelegt und mit , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

4 Gedanken zu „Resident Evil 7

  1. Schöne Review, stimme dir in den meisten Punkten zu. Verwirrt hat mich nur die „deutsche Synchro“: In welcher Version gibt es die denn? Hatte nur englische Sprachausgabe…

    • Yoshi sagte am :

      Habe die EU-Version gespielt (Schweiz), da konnte man sich für die deutsche oder die englische Sprachausgabe entscheiden, wenn ich mich recht entsinne. Im Nachhinein würde ich aber ohnehin zur englischen raten 🙂 lg

  2. Pingback: Resident Evil 7: Not a Hero | Review [PS4] | DerStigler

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