Von JÁNOS MOSER.
Auf FreiesFeld geht es nicht nur um Videospiele, sondern auch immer mal wieder um Videospielmusik. Diesmal gibt es einen Hörtipp, der letzteres ist, aber irgendwie doch nicht: Umbría ist ein Ein-Mann-Projekt aus Spanien, das es über Umwege in meinen YouTube-Feed geschafft hat. «Dungeon Synth» nennt sich das dazugehörige Genre und soll in den Neunzigern als Erweiterung der auf Black Metal-Alben eingespielten Synthie-Intros bzw. Interludes entstanden sein. Abgesehen von Themen wie Natur und Mystik scheint diese musikalische Abspaltung inzwischen – zum Glück – nur noch wenig mit der ursprünglichen Szene zu tun zu haben; zumal sich problematische Inhalte nur schwer über reine Instrumentalstücke verbreiten lassen. Zwar frönt das Genre auf seine Art auch der ewigen Verneigung vor Tolkien, doch vielmehr als Herr der Videospiele: Tatsächlich klingen viele Dungeon Synth-Interpreten so, als seien sie früher bei Bethesda oder Squaresoft im Sound-Departement angestellt gewesen. Die Musik verbreitet eine Fantasy-Atmosphäre, die einen an Gewölbe und geheime Schätze denken lässt. Ähnlich wie Black Metal versuchte sich das Musikgenre der Kommerzialisierung teilweise zu entziehen, physikalischen Kopien der Alben wurde man, wenn überhaupt, durch Kassettentausch habhaft. Obwohl sich die Szene auch heute noch im Kleinen bewegt, etwa in nerdigen Internetforen, hat YouTube (und vielleicht die Pandemie) stark zur Verbreitung beigetragen. Mittlerweile wird Dungeon Synth zur Untermalung von Dungeons & Dragons-Sessions gehört, aber eben immer auch als Erinnerung an die Videospiele der Neunziger. Während sich im Lockdown sicher manche Hobbymusiker auf Dungeon Synth verlegt haben und auch vieles davon amateurhaft klingt, gilt das nicht für die komplexen Kompositionen von Umbría, wenn man auch merkt, dass kein grosses Produktionsstudio dahinterstand. Über die mittelalterlich angehauchten Klangteppiche stülpen sich immer wieder prägnante Melodien. Deshalb bietet sich ein Vergleich mit Japano-RPGs wie Final Fantasy oder Secret of Mana an. Besonders Stücke wie «Ruins Of The City Among The Clouds» beschwören bildhaft die Ideen von FF-Schöpfer Hironobu Sakaguchi herauf. In vielen Stücken erinnert die Mischung klassischer Instrumente wie dem Cembalo mit modernen Synth-Sounds an Nobuo Uematsus Soundtrack für Final Fantasy IX. Ähnlich wie in verwandten Underground-Genres, zum Beispiel Vaporwave, werden hier «alte» Ideen nostalgisch verformt. Waren die Kompositionen von Uematsu noch simpel und in einer ewigen Wiederholungsschleife gefangen, erweitert und durchbricht Umbría die Grenzen dessen, was damals möglich war, und schafft so eine Musik, die so klingt, wie man sich an «damals» erinnert, wobei es dieses Damals in dieser Form nie existiert hat – ist also eine Art musikalische Operationalisierung von Videospielnostalgie, die im Modus der Erinnerung etwas Eigenes, im Grunde «Neues» schafft. Das ist deshalb spannend, weil Nostalgie in der heutigen Videospielwelt für gewöhnlich lediglich bedeutet, Dinge ein zweites Mal zu verkaufen, und das auch noch schlechter.
Anspieltipps:
- Album Farwalker (2019): «Hunting Grounds Of The Highlands», «Ruins Of The City Among The Clouds»
- Album The Sleeping Wizard (2020): «The Trees Will Remember», «The Snow Garden», «Last Night Awake»
- Album The Entombed Wizard (2021): «Children Of The Forest»
Weitere spannende Dungeon Synth-Vertreter: Secret Stairways, Jääportit.
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