Freies Feld

Orchester und Spiele

Von JÁNOS MOSER.

Videospielmusik ist beinahe so alt (oder so jung) wie Videospiele selbst. So richtig in der Öffentlichkeit – abseits vom Bildschirm – kam sie aber wohl erst mit den klassischen Konzerten an. Klassik? Konzerte? Videospiel? Was auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheint, klappt spätestens seit Videospielkomponist und Final Fantasy-Aushängeschild Nobuo Uematsu ganz gut – mithilfe von professionellem Arrangement, versteht sich. Auf folgenden Zeilen stellen wir kurz einige vergangene und gegenwärtige Konzerte, Konzertreihen bzw. orchestrale CDs vor, die ihrerseits schon zum Klassiker geworden sind.

1) Symphonic Suite Final Fantasy (1989)

Die ersten Videospielkonzerte gehen, sagt man, auf Dragon Quest zurück. Die relativ simplen Arrangements der Stücke von Koichi Sugiyama waren jedoch erst der Vorgeschmack auf das, was folgen sollte. Die Symphonic Suite, gespielt vom Tokyo Symphony Orchestra im Jahr 1989, beinhaltet Lieder aus den ersten beiden Final Fantasy-Games. Was hier aus den piepsigen Klängen des NES entstanden ist, dürfte jeden Fan von orchestraler Filmmusik in Begeisterungsstürme versetzen. Die insgesamt sieben gespielten Stücke sind entweder leicht variierte Einzelstücke oder Medleys aus mehreren Stücken. Besonders die Transitionen zwischen den einzelnen Teilen in diesen Stücken machen den Zauber aus (Beispiel: Scene V). Manchmal drohen die Arrangements ins Klischee abzudriften, dennoch entschädigt der gut eingesetzte Chor für alles. Die CD dürfte hierzulande übrigens nur schwer zu bekommen sein.

2) Orchestral Game Music Concerts 1-5 (1991-1996)

Die Orchestral Game Music Concerts eins bis fünf wurden zwischen 1991 und 1996 in Tokyo aufgeführt. Inhaltlich boten die Veranstalter ein breites Spektrum an der damaligen Crème de la Crème der japanischen Videospiele, angefangen mit A Link to the Past über Fire Emblem und Super Metroid bis hin zu Seiken Densetsu 3. Initianten der Konzerte waren unter anderem Yoko Kanno und Koichi Sugiyama. Die Arrangements sind nicht mehr ganz so brillant wie bei der Symphonic Suite, können sich aber durchaus hören lassen und gewinnen den Videospielen (u.a. Super Metroid) ganz neue Seiten ab. Entscheidend ist die Fülle und Abwechslung der Stücke, jedes Konzert hat seine eigenen Höhenflüge. Insgesamt ist das dritte aus dem Jahr 1993 aber wohl das interessanteste. Die CDs sind heute angeblich fast nicht mehr auffindbar, aber dafür gibt es ja das Internet.

3) Perfect Selection: Dracula New Classic (1992)

Der zugegeben bescheuerte Name bezeichnet eine Zusammenstellung klassischer Castlevania-Stücke von Konami auf CD. Im Gegensatz zu den unerträglichen, aber auf ihre Art unterhaltenden Rockstücken auf den nachfolgenden CDs (Dracula Battle I & II) hat man es bei New Classic noch mit reiner Orchestermusik zu tun. Zumindest fast. Jemand ist nämlich auf die Idee gekommen, die Streicher mit Synthesizer-Einlagen zu mischen. Was sich erst einmal schrecklich anhört, entpuppt sich aber als gar nicht so schlimm. Vor allem die Gameboy-Stücke (z.B. Praying Hands) profitieren von dieser Mischung. Indessen wäre es wirklich wieder mal Zeit für ein neues Castlevania-Konzert. Hallo, Konami?

4) Resident Evil Orchestra (1999)

Das Resident Evil Orchestra (oder Biohazard Orchestra in Japan) spielte 1999 einige Stücke von Masami Ueda, Shusaku Uchiyama u.a. ein, aus den – wie könnte es anders sein – Resident Evil-Games. War die Musik der RE-Teile an sich schon immer stark an einem Filmerlebnis angelehnt, bekommt sie in diesem Konzert nochmals eine neue Dimension. Zwar hat man es nicht mit Mixturen aus verschiedenen Stücken zu tun, aber die Musik funktioniert auch so und die klugen Arrangements verhelfen ohnehin schon tollen Stücken wie Safe Room aus Resident Evil 2 zu neuen Höhen. Vom Organ-Intro bekomme ich heute noch Albträume.

5) Symphonic Game Music Concerts (2003-)

Ausserhalb von Japan waren Videospielkonzerte bis Anfang des 21. Jahrhunderts kurioses Neuland. Das änderte sich mit den Symphonic Game Music Concerts, die traditionell im Rahmen der Games Convention-Eröffnung im Leipziger Gewandhaus bis 2007 stattfanden. Immer wieder machen anreisende Stargäste und Gastperformer, darunter Michiru Yamane (Symphony of the Night), von sich reden. Alsbald haben sich weitere Konzertreihen entwickelt, die einem bestimmten Musiker (z.B. Chris Hülsbeck, der Komponist der Turrican-Games) oder einer Spielereihe gewidmet sind. Kreativer Kopf hinter den Konzerten ist Thomas Böcker, der viel zur breiteren Rezeption von Videospielmusik beigetragen hat. Leider gibt es keine professionellen Aufnahmen.

6) Video Games Live (2005-)

Zum Schluss kommen wir zum schwarzen Schaf der Videospielkonzerte, nämlich Video Games Live. Die 2005 von Tommy Tallarico und Jack Wall lancierte Reihe versteht sich als interaktives und multimediales Erlebniskonzert. Gespielt werden Stücke aus Halo, Pokémon, Skyrim oder Mass Effect. Neben den Leuten im Orchester selbst treten immer wieder Solisten auf der Bühne auf, die entweder durch das Internet berühmt geworden sind oder sonst käsige Gitarrensoli hinlegen. Wäre das Ganze nicht genug krebserregend, wird das Publikum zuweilen auch dazu aufgefordert, die Spiele auf Grossleinwand zu spielen, was dann mit dem Orchester begleitet wird. Nette Retro-Kino-Pastiche, aber ohne mich.

Dieser Beitrag wurde von Yoshi geschrieben und am 2. Oktober 2014 um 12:56 veröffentlicht. Er ist unter Links und Tipps abgelegt und mit , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

2 Gedanken zu „Orchester und Spiele

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