Freies Feld

Alien: Isolation

Von JÁNOS MOSER.

Die Alien-Spiele fielen bislang – mit wenigen Ausnahmen – mässig oder zumindest actionlastig aus. Wer den Grusel im All zu finden hoffte, musste auf Alternativen wie Metroid, Project Firestart oder Dead Space setzen. Wenn auch die letztgenannten Spiele schon so nah am Filmkonzept sind, dass man sie getrost gelungene Hommagen nennen darf, war keines von ihnen ein „richtiges“ Alien-Game. Mit Alien: Isolation ist nun endlich der langersehnte Traum vieler Filmfans wahr geworden. Endlich mit Ripley durch enge Raumschiffkorridore schleichen und bei jedem leisen Geräusch zusammenzucken – ob wir genau das bekommen oder doch lieber Zuhause geblieben wären, beantwortet ein Test.

Xenomorph

Das Szenario der schönen Frau, die gegen das hässliche Monster kämpft, hat doch etwas von einem archaischen, urwüchsigen Topos. Da spielt es auch keine Rolle, wenn wir also nun mit Amanda statt Ellen Ripley losziehen. Erstere ist nämlich die Tochter, die noch immer ihre seit Jahren verschwundene Mutter zu finden hofft. Gelegenheit, ihrem Ziel näher zu kommen, bietet eine Forschungsmission, die sie an Bord der Raumstation Sevastopol führt, wo sich der Flugschreiber der Nostromo befinden soll. Leider geht schon bei der Ankunft alles schief, und Amanda wird durch herumfliegende Schrottteile vom Rest ihrer Crew getrennt. Auf eigene Faust muss sie sich nun durch die Station kämpfen, auf der anscheinend nicht nur panische, schiesswütige Menschen herumrennen, sondern auch wildgewordene Androiden und – wie sollte es anderes sein – ein Xenomorph, sprich Alien. Gab sich Amanda im Intro noch kühl-distanziert, kann man nach wenigen Spielminuten nicht anders, als sich voll und ganz in ihre Haut versetzt zu fühlen, wenn man mit klopfendem Herzen durch die Gänge schleicht. Erst einmal lässt das Alien jedoch ziemlich lange auf sich warten, und wir können unterdessen die technischen Aspekte des Spiels studieren. Selten, muss man anerkennen, wurde eine Filmvorlage so perfekt umgesetzt: die groben Terminals, die altmodischen Ledersitze, die blinkenden Lämpchen, die verpixelten Computerbildschirme, die Steckkarten, alles erinnert an das Original von 1979; so gut, dass es hinsichtlich der heute gängigen SF-Vorstellungen schon fast deplatziert wirkt. Ältere Semester werden hier ihre wahre Freude haben – doch auch wem diese Retro-Technikwelt nicht so viel sagt, wird an diesem oder jenem offensichtlichen Erkennungszeichen unweigerlich an Commodore 64, Atari und co. denken, wie man sie in Spielemagazinen abgebildet findet.

Stress

Da ist es beinahe schade, dass dem Spieler, sobald das Alien einmal da ist, kaum Zeit bleibt, die Umgebung zu bewundern. Das Monster stellt sich als Fluch und Segen in einem heraus. Der Segen: selten fühlte man sich in einem Horrorspiel so hilflos und ausgeliefert. Da das Alien unsterblich ist und jederzeit angreifen kann, wird man sich zweimal überlegen, ob man zu lange beim Lesen am Computerterminal verweilen oder sorglos durch die Gegend rennen will. Denn jederzeit meint hier auch wirklich jederzeit, und die sonst so gemächliche Gangart kann ganz schnell in Red Bull-Überdosis umschlagen, wenn die charakteristischen Streicher ertönen. Sogar die üblichen Schachtszenen, in denen man wie gewöhnlich durch ein Gitter beobachtet, wie ein Haufen Menschen mit schrecklichen Schreien vom Monster niedergemäht wird, flössen nun für einmal tatsächliche Angst ein – nur eine halbe Minute, und man könnte der nächste sein. In den allerseltensten Fällen ist man wirklich sicher, und diese kostet man dafür wie ein Geschenk des Himmels aus. Der Fluch des Aliens ist seine gänzliche Unberechenbarkeit. Da es zuweilen von allen Seiten zugleich aufzutauchen scheint und blitzschnell zuschlägt, entscheidet oft reines Glück über Leben und Tod. Selbst auf den aus den Filmen bekannte Motion Tracker ist hier allzu selten verlass. Da läuft man in die entgegengesetzte Richtung, aus der das Piepsen kommt, und schwupps, befindet es sich direkt vor euch. Geräuschmacher oder Bomben können den Xenomorph für eine Weile von euch ablenken – aber auch hier gibt es keine Garantie auf Erfolg. Dumm: im Spindversteck soll man den Atem anhalten, nur wird die betreffende Taste bei Gefahr so kurzfristig eingeblendet, dass man nicht rechtzeitig reagieren kann. Dass man so gar keine Möglichkeit hat, dem Mistvieh verlässlich zu entfliehen, sorgt auf Dauer für starken Frust. Im Gegensatz zu einem Spiel wie Dark Souls, wo man nach einer Weile zumindest weiss, wie die Gegner reagieren, bleibt Alien: Isolation bis zu einem gewissen Grad unfair.

Waffen

Doch auch wenn das Alien einmal nicht unmittelbar hinter der nächsten Ecke lauern sollte, sorgen die Androiden und Menschen dafür, dass man stets wachsam bleibt. Stück für Stück eröffnen sich neue Bereiche der Station. Das Vermeiden von Geräuschen ist dabei das A und O. Rennen ist grundsätzlich eine ganz schlechte Idee, und auch die wenigen Waffen helfen dank Munitionsknappheit mehr schlecht als recht. Mehr als einen mickrigen Revolver, einen Elektroschocker, einen Schraubenschlüssel und dergleichen wird man über lange Zeit nicht haben. Wenigstens bekommt man gegen Ende hin zwei schwerere Waffen. Mit dem Flammenwerfer kann man dann auch endlich das Alien abwehren, was das Game ungemein erleichtert – für das letzte Drittel des Spiels gilt die obige Kritik also zum Glück nur noch bedingt. Zusätzlich gibt es Baupläne für Medikits oder verschiedene Granaten. Hier schenkt euch das Spiel wiederum nichts, denn die Ressourcen für das Crafting der Gegenstände sind rar gesät und werden zu allem Übel bei jedem neuen Laden zufallsgeneriert. Mal schnell wieder das fehlende Medikit zusammenbasteln, um die folgende Konfrontation mit einem Androiden zu überstehen? – Fehlanzeige. Die etwas gewöhnungsbedürftige Steuerung und die inexistenten Bildschirmanzeigen (ach, ich habe also die Pistole ausgerüstet?) tun ihr übriges. Das einzige, was euch (ohne Flammenwerfer) ein wenig über die Runden hilft, ist die Soundkulisse – diese dafür richtig. Jedes kleinste Geräusch registrierend, könnt ihr ungefähr erahnen, was eure Gegner treiben. Andererseits treiben euch bald auch das Knacken von Glühbirnen und herumrollende Dosen in den Wahnsinn. Gemischt mit der dezenten Musik ergibt das wahre Gänsehaut. Hinsichtlich der Animationen ist Alien: Isolation sicherlich nicht auf dem neusten Stand. Leider verliert deshalb auch das Alien, wenn man es von Nahem sieht, etwas von seinem Schrecken. Die Synchronsprecher sind dafür, wenn auch nicht immer lippensynchron, ziemlich gut, wobei Amanda nach der deutschen Stimme Ripleys klingt. Bloss ein paar Bugs trübten das Gesamtbild beim Zocken: Der Begleiter blieb an einer Ecke hängen, oder die Gegner waren einmal festgefroren.

Fazit

Selten liegen in einem Spiel Lust und Frust so nahe beieinander wie bei Alien: Isolation. Gerade die einzigartige Horrorstimmung, die sich wegen des unberechenbaren Aliens breitmacht, schlägt schnell in einen Wutausbruch um, wenn man zum zehnten Mal erwischt worden ist. Fans der Filme werden ohnehin schon bedenkenlos zugegriffen haben. Allen anderen, die das Game in Angriff nehmen möchten, sei eine hohe Frustresistenz empfohlen. Die auch in diesem Spiel abgespulten Klischees wie die leichenübersäte Krankenstation, das stillgelegte Transitsystem oder das verletzte Opfer, dem man ein Heilmittel besorgen muss, fallen dank der insgesamt tollen Präsentation nicht so sehr ins Gewicht. Nur die Androiden, die nerven irgendwie.

Dieser Beitrag wurde von Yoshi geschrieben und am 7. November 2014 um 16:31 veröffentlicht. Er ist unter Reviews abgelegt und mit , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

2 Gedanken zu „Alien: Isolation

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