Freies Feld

Beyond Oasis

Von JÁNOS MOSER.

1704-1708 übersetzte der französische Orientalist Antoine Galland die Geschichten von Tausenundeiner Nacht ins Französische, was den Weg für eine europäische Rezeption öffnete. Begeistert las man die verschachtelten Märchen von Scheherazade, und neue Bearbeitungen des Stoffes liessen nicht lange auf sich warten. Im deutschsprachigen Raum war es vor allem Hauff mit seinen Märchenalmanachen oder Goethes West-Östlicher Diwan, die den Orient (wieder) prominent ins Bewusstsein der Bevölkerung rückten (und nicht zuletzt Napoleons Eroberungsfeldzüge). War 1001 Nacht ursprünglich eher als Konvolut erotischer Geschichten für Erwachsene gedacht, sind die Erzählungen durch Gallands Arbeit bis heute als Kindermärchen verstanden, vielleicht missverstanden worden. So haben wir statt eines Decamerons oder der Handschriften von Saragossa ein farbenfrohes Märchenbuch, das sich, fortgeschrieben oder nicht, perfekt für Disney eignet – oder eben für Spiele wie Beyond Oasis für den Genesis.

Tradition

Im kurzen Intro sehen wir den blonden Prinz Ali über einer Schatzkiste kauern. In ihr befindet sich ein goldener Armreif, der mit magischen Kräften beseelt ist. Der Geist des Armreifs gebietet ihm, das Gegenstück, den verderblichen silbernen Armreif, zu finden und zu zerstören. Also nichts wie auf (und erst einmal stürzt noch die Schatzhöhle in sich zusammen). Man braucht Ali nicht lange über den Sandstrand zu steuern, um zu ahnen, dass sich Beyond Oasis neben dem Orientalismus vor allem einer Tradition verpflichtet fühlt: Zelda. Tatsächlich tut man den Entwicklern nicht Unrecht mit der Vermutung, es handle sich hier um ein eigens entwickeltes Gegenstück zu A Link to the Past, zumal der Genesis von Haus aus als Rivale von Nintendos SNES-Wunderkiste verstanden worden war. Ähnlich wie der grüne Elfenjunge wuselt man über eine hübsch gestaltete Oberwelt, besucht Dörfer, Schlösser und Dungeons, in denen man neue Gegenstände aufspürt, die für das Weiterkommen unentbehrlich sind. In Beyond Oasis sind das vier Elementargeister (eine Wasserfee, ein Feuerdämon, ein Schattendoppelgänger und eine gefrässige Pflanze), die das Kernstück des Spiels bilden. Nicht nur nämlich lassen sich diese Geister als permanente Begleiter im Kampf beschwören, sie dienen auch dazu, Rätsel zu lösen. Ali kann seinen Armreif auf bestimmte Gegenstände oder Elemente in der Umgebung abfeuern, um die Geister zu beschwören. Um zum Beispiel die Fee zur Hilfe zu rufen, hält man am besten nach einem Gewässer oder einem Eiskristall Ausschau. Auch unkonventionell erscheinende Dinge wie der schlammige Grund eines Sumpfes oder ein Gegner aus Gallertmasse dienen als probate Mittel. Beim Feuergeist sind es brennende Fackeln, ein Lavasee und so weiter. Die Fähigkeiten der Geister selbst entsprechen einigen Gegenständen bei Zelda, so kann sich der Schattengeist über Abgründe hinwegsetzen, mit der Fee lassen wir Wasserfälle verschwinden, der Feuerdämon entzündet Fackeln und die fleischfressende Pflanze rammt Türen ein. So vielfältig diese Möglichkeiten sind, so schade ist es, dass insgesamt keines der Rätsel wirklich an die Knacknüsse aus A Link to the Past heranreicht. Der Hauptaspekt des Spiels liegt auch eher im Kampf, wobei man leider mit einigen sehr unfairen Stellen rechnen muss. Ein Beispiel: Ein starker Wind bläst über eine Brücke und erschwert das Vorankommen. Zugleich stürmen Gegenerhorden auf euch zu. Sind die Gegner erledigt, verschwinden für einen kurzen Moment die Feuerfontänen, die euch den Weg versperren. Zögert man aber auch nur einen kleinen Moment, sind die Fontänen wieder da, zugleich kommen weitere Gegner auf euch zugestürmt, die euch einkesseln und wieder an den Anfang der Brücke befördern. Das geht so lange weiter, bis man entweder die Nerven verliert oder einen glücklichen Moment erwischt – bei den meisten dürfte der erstere Fall ein treten. Abgesehen von solchen Momenten läuft das Kampfgeschehen flüssig und intuitiv ab. Ali kann springen und seinen Standarddolch durch Bomben, ein Schwert oder eine Armbrust ersetzen, diese sind jedoch, ausser in Spezialfällen, jeweils nach ein paar Einsätzen verbraucht. Auch die Geister beherrschen je drei Attacken, die man bei der Fülle an Gegnern dringend nötig hat. Über drei Menüs rufen wir Heilgegestände, Waffen oder die Karte auf. Vor allem auf die Mana-Anzeige ist übrigens achtzugeben, denn die Elementarwesen brauchen dieses schneller auf, als einem lieb ist. Vom Umfang her gibt sich Beyond Oasis etwas bescheidener als andere Genrevertreter. Mehr als sechs, sieben Dungeons sind nicht zu erwarten, auch die Oberwelt ist sehr klein – schade. Dafür ist die Musik trotz des schwächeren Genesis-Soundchips ganz in Ordnung. Die Steuerung hat vor allem ein Manko: Wie bei Street Fighter und co. muss man das Steuerkreuz zwei Mal drücken, um zu rennen – hektische Situationen sind an der Tagesordnung.

Fazit

Beyond Oasis hatte damals einen relativ schweren Stand. Weder war es das einzige Action-Adventure in den Neunzigern, das den Orient herbeizauberte (man siehe Monster World 4), noch das einzige solcher Spiele auf dem Genesis, die sich alle ihrerseits des Zelda-Prinzips bedienten: Landstalker, Light Crusader oder Crusader of Centy. Der inoffizielle Zelda 3-Nachfolger im Geiste (manche würden gar sagen: Zelda-Killer) war mit Alundra noch nicht geboren, und so schlägt sich Beyond Oasis im Vergleich zumindest annehmbar. Nichts ist so rund, umfangreich oder ausgeklügelt wie bei A Link to the Past, aber einige gut umgesetzte Ideen wie die Elementargeisterbeschwörung heben das Game von anderen ab. Übrigens wäre es doch mal gar keine schlechte Idee, wenn sich ein Spiel mal statt des inhaltlichen Repertoires mit den formalen Eigenheiten der orientalischen Märchen auseinandersetzen würde. Also ein Binnengame, ein verschachteltes Videospiel?

Dieser Beitrag wurde von Yoshi geschrieben und am 20. September 2014 um 14:55 veröffentlicht. Er ist unter Reviews abgelegt und mit , , , , , , , , , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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