Von JÁNOS MOSER.
Spätestens seit der Southpark-Episode #rehash wissen wir, dass Let’s Plays absurd sind. Ein mehr oder weniger bekannter Youtuber spielt ein Videospiel und gibt seine Kommentare dazu ab. Einige, wie etwa PewDiePie, haben dadurch Millionen Follower gewonnen. Doch warum wollen sich so viele Leute ansehen, wie einer ein Game zockt, das sie selbst in Griffweite haben? Geht da nicht der ganze interaktive Spass verloren? Um zu verstehen, was da abgeht, sehen wir uns am besten selbst mal eines an: mtgxerxes spielt den SNES-RPG-Klassiker Breath of Fire 2
Ich selbst bin mit Breath of Fire 2 aufgewachsen; zumindest mit dem Game Boy Advance-Remake. Mit vierzehn, fünfzehn tat ich nichts anderes, als in der Welt von Breath of Fire zu leben, ich spielte alle möglichen Varianten durch, trainierte die Charaktere auf Level 99, dachte mir neue Geschichten mit den Charakteren aus und wollte alle Geheimnisse erforschen. Die Komplettlösung in der alten Advance habe ich so oft durchgelesen, dass die Seiten ganz zerfleddert sind. Das Spiel zählt meiner Ansicht nach bis heute zu den besten JRPGs überhaupt, wenn nicht sogar zu den besten Games, die je erschienen sind. Doch genug davon – zurück zu Xerxes. Mit sonorer Stimme erklärt er vorgreifend Spielemechaniken, macht Anspielungen auf andere Games, streut ab und zu einen Witz ein – doch worin liegt der Reiz davon? Gibt es vielleicht gar keinen, wenn man BoF2 nicht selbst gezockt hat? Manche – vielleicht auch ich – würden dem zustimmen. Dennoch outen sich in den Youtube-Kommentaren genügend Leute als Xerxes-Fans, die seinem Channel folgen, weil sie ihn einen ganz tollen Typen finden, und nicht wegen des Spiels selbst. Warum? Ich glaube, dass mehr dahinter steckt als Geschmack.
Fernsehshow
Die Spielewelt revolutioniert sich fortlaufend (das wollen einem zumindest PR-Kampagnen weismachen). Das Phänomen, dass man ab und zu lieber Zuschauer als Spieler ist, ist Teil dieser Entwicklung. Tetris ist heute nicht mehr genug – ein erfolgreiches Mainstream-Game braucht (mit wenigen Ausnahmen) glaubwürdige Figuren, eine filmreife Storyline und ganz viel Atmosphäre. Meist auf Kosten der Spielbarkeit. Aber das ist es ja eben: vielleicht wollen wir heute gar nicht mehr spielen, weil wir erkannt haben, dass Games ein neues Erzählmedium sind, das man auch wunderbar zurückgelehnt in einem Ledersessel mit einem Glas Wein geniessen kann. Wenn dazu ein noch relativ begnadeter Moderator das Ganze moderiert, ist der Abend perfekt. Machen wir es damit nicht gleichzeitig zu einem alten Erzählmedium? Oder anders gefragt: sehnen wir uns schon so sehr in die alte Zeit zurück, dass wir nicht nur Chewbacca zum hundersten Mal über den Bildschirm tanzen sehen wollen, sondern auch ein ganzes interaktives Medium in die Mottenkiste verlagern ? Dass Games rückständige Plotlines haben, wussten wir ja schon lange. Dass wir sie wie eine Fernsehshow geniessen, ist neu.
Erzählende Spiele
Indessen könnte man sich aber auch fragen: war die Spielbarkeit des Spiels schon immer vorrangig, oder ging es seit Anbeginn des Game-Zeitalters nicht einfach darum, Geschichten zu erzählen? Das beste Beispiel ist doch gerade Breath of Fire 2: die meiste Zeit des Games verbringt man mit – kämpfen, klar – aber auch durch das anspruchslose Durchlesen von Textblöcken. Natürlich würde man, schriebe man alle Dialoge des Spiels auf ein Blatt Papier, eine ziemlich schlechte Story bekommen. Trotzdem, man wird schwerlich jemanden, der sich keinen Deut für die Charaktere und ihre Hintergründe interessiert, für Breath of Fire begeistern können. Im Gegenteil: liesse man alles Rundherum ausser der Kämpfe weg, würde es vielleicht knapp für ein mässig interessantes Minispiel reichen. In diese Falle sind, offen gesagt, schon so manche RPGs getappt (aber das nur am Rande.)
Symbol oder nicht?
Tragen nun also Let’s Plays den Games Rechnung oder nicht? Oder sind die nur eine andere Art, unser Lieblingsmedium zu geniessen? Passen sie vielleicht gut in unser Meta-Zeitalter, in dem alles nur noch ein Symbol eines Symbols eines Symbols ist? Es warten weitere spannende Beiträge.
Pingback: Mit Verlusten umgehen. Zur Let’s Play-Debatte | Freies Feld
Pingback: Über Schauspieler | Freies Feld
Pingback: Lesenswert: Fox in Space, 20 Jahre Pokémon, Let’s Play | SPIELKRITIK.wordpress.com