Freies Feld

Spiele in Büchern

Von JÁNOS MOSER.

In diesem Artikel von vor etwas weniger als zwei Jahren ging es um Bücher in Spielen. Von nutzlosem Beiwerk über Rätseleinlagen bis hin zu Zeitfressern nehmen Bücher in Games ziemlich viele Rollen an. Was ist aber mit Büchern, bei denen man sich an Games erinnert fühlt? Was, wenn sich jeder Klassiker der Videospielgeschichte einem bestimmten Literaturklassiker zuordnen liesse? Klar, sind viele heute gängigen Videospiel-Tropen Tolkien, Dracula und co. entlehnt, aber wenn man nur lange genug sucht – und dabei ein bisschen Fantasie walten lässt – entfalten sich wundervolle Ausschmückungen unserer Lieblingsgames. Wagen wir doch einfach ein Experiment:

Space Invaders – Krieg der Welten (H.G. Wells)

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„Die Spannung bei den schweigenden Batterien erreichte ihren Höhepunkt. Die Marsleute brauchten nur bis in die Feuerlinie vorzurücken, und sofort würden jene regungslosen Menschenmassen, jene Geschütze, die dunkel durch die frühe Nacht schimmerten, in die Wut eines wilden Kampfes ausbrechen.
Kein Zweifel, der Gedanke, der in Tausenden jener wachenden Köpfe alle anderen Gedanken beherrschte, der auch in meinem Kopf jeden anderen Gedanken zurückdrängte, war die ungelöste Frage, wie weit jene uns wohl zu beurteilen verstanden. Erfassten sie, dass unsere Millionen ein geschlossenes, durch Arbeit geeintes Ganzes waren? Oder legten sie unsere Feuerzeichen, unser Bombenschleudern, unser hartnäckiges Bedrängen ihres Lagers etwa so aus, wie wir die wütende Einmütigkeit im Angriff eines gestörten Bienenschwarmes auslegen? Träumten sie davon, uns ausrotten zu können? (Damals wusste noch niemand, welcher Nahrung sie bedurften.) Hundert solcher Fragen kreuzten sich in meinem Geist, als ich die riesigen Formen jener Wachposten beobachtete.“

Castlevania – Das Schloss Otranto (Horace Walpole)

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„Was Manfreds Augen zuerst auffiel, war ein Kreis seiner Bedienten, die etwas in die Höhe zu heben sich bemühten, das einem Berge schwarzer Federn ähnlich sah. Er staunte und traute seinem Gesicht nicht. Was treibt ihr da? Rief Manfred wütend: wo ist mein Sohn? Ein Chor von Stimmen antwortete: O, gnädigster Herr! der Prinz! der Prinz! der Helm! der Helm! Ihn erschütterten die Klagetöne, die Furcht unbekannter Dinge überfiel ihn, er trat hastig hinzu – was erblickten die Augen des Vaters? – er sah sein Kind zerschmettert, begraben gleichsam, unter einem ungeheuren Helm, hundertmal grösser als irgend eine Sturmhaube die je für einen Sterblichen geschmiedet ward, und von einem verhältnismässig grossen Busch schwarzer Federn beschattet
Dieser grauenvolle Anblick, die Unwissenheit aller Umstehenden auf was Art sich der Unfall ereignet habe, und über alles, die furchtbare Erscheinung vor ihm, benahmen dem Fürsten die Sprache.“

Dig Dug – Die Bergwerke zu Falun (E.T.A. Hoffmann)

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„Elis nahm Stahl und Stein aus der Tasche, zündete sein Grubenlicht an und stieg hinab in den Schacht, den er gestern befahren, ohne dass sich der Alte sehen liess. Wie ward ihm, als er in der tiefsten Teufe deutlich und klar den Trappgang erblickte, so dass er seiner Salbänder, Streichen und Fallen zu erkennen vermochte.
Doch als er fester und fester den Blick auf die wunderbare Ader im Gestein richtete, war es, als ginge ein blendendes Licht durch den ganzen Schacht, und seine Wände wurden durchsichtig wie der reinste Kristall. Jener verhängnisvolle Traum, den er in Göthaborg geträumt, kam zurück. Er blickte in die paradiesischen Gefilde der herrlichsten Metallbäume und Pflanzen, an denen wie Früchte, Blüten und Blumen feuerstrahlende Steine hingen. Er sah die Jungfrauen, er schaute das holde Antlitz der mächtigen Königin. Sie erfasste ihn, zog ihn hinab, drückte ihn an ihre Brust, da durchzuckte ein glühender Strahl sein Inneres, und sein Bewusstsein war nur das Gefühl, als schwämme er in den Wogen eines blauen, durchsichtig funkelnden Nebels. -“

Ice Climber – Berge des Wahnsinns (H. P. Lovecraft)

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„Die Wirkung dieses ungeheuerlichen Anblicks war unbeschreiblich, denn auf den ersten Blick erschien es, als offenbare sich hier irgendeine diabolische Perversion aller bekannter Naturgesetze. Hier, auf einem unermesslich alten Tafelland, in vollen 20 000 Fuss Höhe und einem Klima, das seit einem nicht weniger als 50 000 Jahre zurückliegenden, vormenschlichen Zeitalter für alles Leben todbringend sein musste, erstreckte sich bis fast an den Horizont ein Gewirr regelmässig geformter Steine, das nur die verzweifelte Furcht, den Verstand zu verlieren, auf etwas anderes als einen bewussten, künstlichen Ursprung zurückzuführen vermochte. Aber hatten wir nicht schon vorher – zumindest dann, wenn wir ernsthaft nachgedacht hatten – jene Theorie, nach der diese Kuben und Wälle an den Berghängen auf anderem als natürlichem Wege entstanden seien, für absurd erklärt? Wie hätte es auch anders sein können, da doch der Mensch sich noch kaum von den grossen Affen unterschieden haben konnte, als dieses Gebiet der bis in unsere Tage dauernden, ungebrochenen Herrschaft des eisigen Todes anheimgefallen war?“

Pipe Mania – Der grüne Heinrich (Gottfried Keller)

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„Männer standen hoch auf den Leitern und schritten auf dem Dache, die metallenen Wendröhren in der Hand, während andere ihnen von unten auf Befehlsworte zusandten und sie auf die gefährlichsten Punkte aufmerksam machten. Aber als nun das Abenteuer von Statten gehen sollte, da gab es eine grosse Verwirrung, ein Rufen, Schreien, Schelten, und zuletzt ein bedenkliches Durcheinanderdrängen und Puffen, ohne dass die Leute wussten, woran es lag und wie sie sich helfen sollten. Heinrich aber sah ganz herrlich, woher die Noth kam, und hätte gern gelacht, wenn er nicht so nass gewesen wäre; denn die Wendrohrführer hatten in der kunstreichen Verschlingung der Schläuche Jeder das unrechte Rohr ergriffen, und als sie nun oben auf dem Capitol ihrer Spritzmannschaft laut zuriefen, Wasser zu geben oder damit nachzulassen, je nach der Wendung des Abenteuers, da gab immer die Spritze eines Anderen Wasser oder versiegte plötzlich, so dass ihr Vorkämpfer vergeblich sein Rohr kühnlich emporhielt und klug zielend hin und her schwenkte, während sein Nebenmann, der an nichts dachte, unerwartet Wasser bekam und dem Bürgermeister damit die Perücke abspritzte, der den Kopf aus einer Dachluke streckte. Immer grösser ward die Verwirrung, und ein allgemeiner Kampf schien zu entstehen; denn den einfachen Grund, die Verwechslung der Wendröhre, entdeckte Niemand, da die verschlungenen Schläuche um die Ecke gingen und keiner die Sachlage übersah.“

Empire Earth – Ein Yankee aus Connecticut an König Artus‘ Hof

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„Schliesslich konnten wir Einzelheiten erkennen. Das erste Aufgebot, unübersehbar in seiner Tiefenstaffelung, waren Berittene, gepanzerte Ritter mit Federbüschen. Plötzlich hörten wir Trompetenschall; der langsame Marsch wurde zum Galopp, und dann – ja, es war ein überwältigendes Bild. Herunter ins Tal fegte die riesige hufeisenförmige Woge, kam dem Sandgürtel – mir blieb die Luft weg – näher, näher; der grüne Rasenstreifen hinter dem gelben Gürtel wurde schmal und schmaler, wurde ein dürftiges Band vor den Pferden, verschwand dann unter ihren Hufen. Donnerwetter! Ja, die ganze Front des Heeres schoss mit einem Donnerkrachen gen Himmel und wurde zu einem Orkan von Fetzen und Splittern; […]
Der Zeitpunkt für den nächsten Schritt im Schlachtplan war gekommen! Ich drückte auf einen Knopf und riss England die Eingeweide aus dem Leib!
[…]
Das Dynamit hatte einen Graben von mehr als hundert Fuss Breite ganz um uns her ausgehoben und auf beiden Seiten Wälle von etwa fünfundzwanzig Fuss Höhe aufgeworfen. Die Vernichtung allen Lebens war bemerkenswert. Mehr noch, sie übertraf alle Erwartungen. Wir konnten natürlich die Toten nicht zählen, weil sie nicht mehr als Einzelwesen existierten, sondern nur als ein homogenes Protoplasma mit geschmolzenen Eisenteilen und Knöpfen dazwischen.

 

Dieser Beitrag wurde von Yoshi geschrieben und am 20. Januar 2016 um 20:03 veröffentlicht. Er ist unter Gedanken abgelegt und mit , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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