Freies Feld

Über Schauspieler

Ein Gastbeitrag zur Let’s Plays von MATTHIAS HASLER.

Ein Phänomen

Lets Plays sind eine Erscheinung, welche immer grössere Ausmasse annimmt, seinen Reiz aber, zumindest für mich, zunehmend verliert. Angefangen hat das Ganze so um 2009 / 2010 herum, als einige Youtuber begannen ihre Lieblingsspiele zu spielen und zu kommentieren. Natürlich habe auch ich nach den Videos gesucht. Diese Lets Plays boten mir, was ich bisher nicht hatte. Es handelte sich um Spiele aus meiner Kindheit, die ich aus technischen Gründen nicht mehr zocken konnte (da ich persönlich mit Roms nie so wirklich warm werde). Daher erlaubten sie mir einen nostalgischen Trip in die unbeschwerten Tage, als noch jedes Game irgendwie grandios war und es kaum Sorgen gab.
Neben dem Kindheitsspiel selbst boten diese Videos auch noch etwas zweites: die Kommentierung und die Spielweise des Spielers. Ich bin, wie so oft, nicht wirklich mit meinem Geschmack im Mainstream angekommen, weshalb ich mich höchst selten über meine Lieblinge austauschen kann. Hast du dich bei diesem Rollenspiel auch für diese Option entschieden? Was ist deine Strategie, um diesen Gegner zu besiegen? Frage wie diese wurden dank dem Lets Play beantwortet. Es ist spannend, zu sehen, wie jemand anderes dasselbe Spiel spielt und welche Geheimnisse er lüftet.
Neben den Erinnerungen meiner Kindheit bot das Ganze aber auch die Chance, die verlorenen Spiele meiner Kinderjahre nachzuholen. Wie wünschte ich mir, dass ich die Rare-Perlen durch zu spielen! Eine Xbox deswegen zu kaufen, erschien mir immer zu extrem, vor allem, weil ich mich eigentlich so gar nicht für dieses Teil erwärmen konnte. Die Lets Plays boten mir aber die Gelegenheit, Banjo Tooie oder Conker mal zu erleben und das sogar kostenlos.

Wandel

Die Lets Plays veränderten sich aber. Waren in der Anfangsphase noch Klassiker oder Lieblinge im Vordergrund, sind es heute tagesaktuelle Blockbuster – oder irgendwelche Indie- oder Trashspiele als Gegengewicht. Irgendwann mal war jedes Spiel der guten alten Spielkonsolen gespielt und aufgenommen, sogar mehrfach und die Zuschauerzahlen gingen zurück. Der Markt war übersättigt.
Was lag da, in einer stagnierenden Phase des Schon-Immergewesenen näher, als sich dem Neuen zu zuwenden? Neue Spiele erscheinen ständig und hier handelt es sich um eine scheinbar unendliche Quelle neuer Möglichkeiten. Und es begann ein fataler und denkwürdiger Teufelskreis: Die Spielehersteller stellten den Lets Playern zunehmend ihre neusten Werke kostenfrei zur Verfügung oder bezahlten sogar für das Spielen. Selbstredend stellen sie auch Grafiken oder ähnlichen Firlefanz bereit, damit der Lets Player komfortabel seine Videos erstellen und beeindruckend präsentieren kann. Ihr Vorteil liegt auf der Hand: Sie unterstützen ein Lets Player, der offensichtlich sowieso nur spielt, was er mag. Er spielt den Fans dieses Spiels das Ganze wenige Wochen vor Release vor. Was gibt es für eine bessere Werbung? Die Zielgruppe wird täglich, in der Regel wohlwollend und wertend, von einem neuen Produkt berieselt, mit anschliessendem Fazit und das völlig kostenlos. Nebenbei erwähnt der Lets Player dann noch, dass er sich diese tolle, teurere Limited Edition des Spiels kauft. Der Traum jedes Marketingchefs!
Aber auch für die Lets Player kommt eine solche Kooperation gut zu stehen. Sie bieten exklusiven Inhalt auf ihrem Kanal. Während der frustrierten Konkurrenz nichts anderes übrig bleibt als sich ein Spiel vorzubestellen und zu hoffen, dass es nicht ein Tag später per Post eintrudelt. Um nicht noch mehr Views an andere zu verlieren.
Durch ihr Monopol und die Zurschaustellung vor Release generieren sie massenhaft Klicks der Fans und Youtuber werden ja bekanntlich nach Klicks bezahlt. Und die grossen Lets Player, die können von ihren Videos ja leben. Und das nicht mal allzu schlecht. Tatsächlich erzählen manche von Zeit zu Zeit sogar, dass sie von Schülern Anfragen für Praktika erhalten, weil sie von der Schule aus in Berufe reinschnuppern müssen. Der Beruf „Lets Player“ ist für jüngere Semester offensichtlich real und erstrebenswert.
Allerdings bleibt die Szene weiterhin lebendig: Neben den grossen, kommerziellen Lets Playern, gibt es zahlreiche kleine, die sich vor allem um Indie- oder Trashspiele kümmern, da auch diese einen gewissen Unterhaltungswert aufweisen. Oder die normalen Must-Haves durch Challenges interessanter gestalten.
Erwähnenswert ist, dass die Szene sich langsam ausserhalb von Youtube ausbreitet. Einerseits wären da die seit einigen Jahren praktizierten Streams. Der Lets Player streamt in einer Liveübertragung ein Spiel und seine Zuschauer können sich in einem Chat äussern. Sodass sie mit ihm und mit den anderen ins Gespräch kommen, und das in Echtzeit. Dem Lets Player noch Geld zu spenden, weil er ja durchaus etwas auf sich nimmt, um dem Publikum kostenlose Unterhaltung zu bieten, gehört natürlich zum guten Ton. Diese Streams nehmen unterschiedliche Formen an. Einer spielt ein ewig langes Rollenspiel und das jeden Samstagnachmittag. Andere wiederum basteln live ein eigenes Spiel und erhalten dabei Lob und Verbesserungsvorschläge. Ganz toughe Typen produzieren 24-Stunden-Streams, nur unterbrochen von gelegentlichen Werbe- oder Pizza-essen-Pausen. Wer mag, kann also gleich 24 Stunden lang mit Gleichgesinnten in eine Welt der Videospiele eintauchen.
Eine weitere Entwicklung, die ich kürzlich mitbekommen habe, aber überhaupt nicht verstehe, sind die Lets Plays auf Pornhub. Ja, genau, die Videos von bekannten Youtubern wurden auf diese Pornoseite geladen und können dort, falls man das möchte, angeschaut werden. Wobei es scheinbar auch „echte“ Pornos mit bekannten Videospielfiguren hat. Ich weiss allerdings nicht, ob sich die Zuschauer dieser Videos dort vornehmlich für die Spielszenen interessieren oder ob es doch eine Art erotische Erfahrung für sie sein könnte. „Minecraft Porn“ oder „Minecraft Hentai“ gehören zu den meistgesuchten Begriffen auf dieser Seite. Das Wachstum dieser Art Suchbegriffe lag von Januar 2014 bis Dezember 2015 bei fast 360%. Neben Minecraft sind die Suchbegriffe „Halo“, „Clash of Clans“, „Fallout“, „Lego“ oder „Pokémon“ beliebt. Als einziger Letsplayer hat es der gute alte PewDiePie in die Top10 geschafft. 80% der Sucher sind übrigens jünger als 24 und 91% sind jünger als 34 Jahre. Und, es überrascht kaum, etwa 80% der User sind männlich.
Mich lässt das ehrlich gesagt etwas ratlos zurück. Es entzieht sich meiner Vorstellungskraft, wie man ernsthaft nach einem „Minecraft“-Porno suchen kann oder ob solche Suchanfragen überhaupt ernst gemeint sind. Ist das Ganze mutmasslich ein Ausdruck davon, wie sehr Videospiele Jüngere dominieren können, sodass selbst erotische Fantasien sich dahingehend verändern? Oder handelt es sich dabei um Fanboys, welche die Stimme ihres Idols gerne amourös erleben möchten? Bleibt die gesunde Distanz zwischen Lets Player und Fan, zwischen Realität und Virtualität, vielleicht für manche auf der Strecke?

Lets Plays als Kunstform?

Was aber ist denn eigentlich dran, am Lets Play? Warum schaut man sich das an? Sachlich gesehen, spielt da ein vornehmlich, aber nicht ausschliesslich, männlicher Typ ein Spiel und kommentiert es. Aber da ist noch mehr: Er liest die Texte vor, gibt jeder Figur eine eigene Stimme und trägt die Stimmung des Spiels auf seine Weise weiter, wird dabei schon fast zum Ensemble des Spiels. Dabei kann er das unterstützend machen, um die Geschichte des Spiels zu verstärken, oder er macht sie durch Ironie und zynische Bemerkungen zunichte. Beides ist nun mal Unterhaltung. Natürlich kommt dabei noch hinzu, dass man das Spiel nicht selbst spielen muss, es also ohne jegliche Anstrengung geniessen kann. Das nervige Hochleveln, ja, das kann ruhig rausgeschnitten werden.

Früher gab es drei Formen des Lets Plays, die sich aber vermischt haben und wesentlich extremer nach wie vor gültig sind: Die älteste Form war das stumme Lets Play, Walktrough genannt. Ein Spieler nimmt auf, wie er das Spiel spielt. Die Spielmechaniken zu verstehen, das muss der Zuschauer alleine auf die Reihe bekommen. Häufig geht es bei dieser Art der Lets Plays auch darum, das Spiel möglichst schnell oder intelligent zu lösen. Sodass auch ein Hauch von „Tipps und Tricks“ oder Speedruns mitschwebt. Das zweite Genre war auch leicht dokumentarisch: Der Lets Player spricht hier zwar, erzählt aber nur Hintergrundwissen über das Spiel oder kommentiert das aktuelle Spielgeschehen. Das sogenannte Off-Topics, das Erzählen von irgendwelchen Random-Sachen ohne Bezug zum Spiel, hat hier keinen Platz.
Die dritte Form war das genaue Gegenteil: Da ist ein Typ, der ein Spiel spielt, aber eigentlich nur über Gott und die Welt redet, und nur nebenbei über das Spiel, wenn er dazu gezwungen wird.
Die letzten beiden Formen haben sich vermischt, mit jeweils unterschiedlichen Gewichtungen: Die Geschichte eines Spiels steht dabei im Vordergrund und wenn sie, wie etwa bei Mario, zu schwach ist, springt der Lets Player eben ein und erzählt seine Geschichte. In Form von Anmerkungen, Filmtipps oder alltäglichen Erlebnissen um die nicht ganz so spannenden Geschehnissen des Spiels bis zum nächsten Highlight zu überbrücken. Ganz so wie man das zu zweit auf dem Sofa tun würde, wenn das Spielgeschehen zu repetitiv wird.

Der Zuschauer bekommt durch die Kommentierung eine zusätzliche Unterhaltung. Um die Mechaniken des Lets Plays besser verstehen zu können, müssen wir mal ein Gedankenexperiment wagen und es aus seinem Kontext nehmen, um es abstrakt zu sehen. Machen wir aus Youtube eine Bühne und aus dem Spiel ein Gedicht, so ergibt sich folgendes Bild:
Ein Schauspieler steht auf der Bühne und trägt ein Gedicht vor. Das hat er logischerweise nicht selber geschrieben und auch andere tragen dasselbe vor. Möglich, dass er die Reime einmal pro Jahr rezitiert. Vielleicht wird er vom Autor dieser poetischen Zeilen sogar dafür bezahlt, das Werk vorzutragen. Möglicherweise führt er es auch schon seit zwei Jahren vor, jeden Sonntag wieder ein Stückchen.
Das Präsentieren des Gedichtes nimmt aber seltsame Züge an: Er liest es vor, keine Frage, und verstellt auch seine Stimme fleissig, um es möglichst interessant zu gestalten. Aber dann passiert das Ungeheuerliche: Er beginnt das Dargebotene zu kommentieren: „Dieser Reim war aber wirklich schlecht“ oder „Hach, solche Stelle liebe ich einfach immer wieder.“
Und nicht nur das, er interpretiert das Poem auch auf seine Weise: Mal ernst gemeint und mal absolut auf Ironie getrimmt um es genüsslich ins Lächerliche zu ziehen. Beides findet sein Publikum und beide Formen haben ihre jeweiligen Meister hervorgebracht.
Dabei geraten die Reime, die eigentliche Kunst, in den Hintergrund: Der Schauspieler erzählt Anekdoten: Gestern war er beim Einkaufen gewesen, damals in der Schule war es bei ihm ja so und so, und tatsächlich würde er gerade viel lieber ein anderes Gedicht vortragen. Aber das sei leider noch nicht fertig. Mangels Arbeitgeber oder ähnlicher Autorität kann er den lieben langen Tag erzählen, was immer er möchte und für richtig hält. Zensur gibt es nur durch die persönlichen Moralvorstellungen des Lets Players und Youtube-Richtlinien.
Manch einer erzählt nebenbei auch die wöchentlichen Neuigkeiten, degradiert das Werk also zu einem Beiwerk (s)einer Newssendung. Andere nehmen sich für jede Vorstellung ein neues Thema vor: „Lasst uns diese Woche doch einmal über Alkohol und Drogen sprechen!“, „Was haltet ihr eigentlich von Religion?“ oder „Heute reden wir weiter über das positive Denken? Ich hab nämlich ein weiteres Buch darüber gelesen!“
Nicht immer sind die Themen seicht, aber weil das Publikum nur zuschaut und nicht antwortet, findet kein Dialog statt. Der Schauspieler erzählt einfach seine Sicht der Dinge und das, logischerweise, häufig wenig strukturiert und vom sich gelegentlich zurückmeldenden Gedicht unterbrochen.
Mancher gibt seinen Zuschauern buchstäblich eine Stimme mitsamt Namen, die öfters mal wieder frech motzend, aber auch motivierend vorkommen und mit dem Lets Player Gespräche führen. Fehlt nur noch eine Handpuppe und ein waschechter Bauchredner steht auf der Bühne.
Andere benutzen eine Face-Cam und zeigen mit allerlei Mimik und Handbewegungen wie emotional sie das Ganze finden. Dabei schreien oder heulen sie und bilden eine Art kleine, männliche Seifenoper ohne Lovestory.
Und dann gibt es noch Bühnenkünstler, die tragen nur das Gedicht vor, sie schweifen nicht ab, sondern fokussieren sich nur ganz auf das Werk. Gelegentlich geben sie dem Zuschauer noch etwas weiterführende Informationen. Die Grenze zwischen der Intensität eines aus sich selbst reduzierten Gedichts und einer Doku mit Hintergrundinfos sind fliessend.
Und da gibt es, wie erwähnt, den ausufernden Erzähler, der von den Reimen gelangweilt einfach aus dem Nähkästchen heraus erzählt. Wieder andere Schauspieler laden weitere ein, sodass sie, zu dem Gedicht, noch fröhlich eine Art gemütliche Kaffeekränzchen halten können.
Die Vielfalt, Präsentierungsformen und Themengebiete sind dabei breit gefächert. Jeder findet etwas nach seiner Façon.

Die berechtigte Frage ist also: Was ist eigentlich die Kunst? Das Gedicht, das ein Unbekannter und Abwesender geschrieben hat oder die Interpretation des Vortragenden?
Ein erster Anhaltspunkt ist das Publikumsverhalten: Längst suchen sich die Zuschauer nicht mehr Gedichte heraus, die sie mögen, sondern sie gehen zu der Bühne ihres Vertrauens. Wohlwissend, dass sie dort so unterhalten werden, wie sie es gewohnt sind und schätzen. Sie müssen ja auch nicht alles anhören. Und ein nicht unwesentlicher Anteil des Publikums lässt den Schauspieler auch nur nebenbei plappern, weil sie gerade kochen oder sonst was machen. Ähnlich wie beim Radio oder dem Fernsehen.
Die Zuschauer kann sich den Text später noch kaufen, um ihn selber zu lesen. Oder er kann es sein lassen: Er kennt es ja bereits, inklusive Bewertung und Trivia-Fakten, und das ohne nur einen Finger bewegt zu haben.
Der Text wird dabei von dem Darbietenden genommen und erweitert, auf seine einzigartige Weise, sei es ironisch, schrill, emotional, nüchtern-sachlich, ernst oder von allem etwas. Die Stimmung des Lets Plays wird durch den Schauspieler definiert. Er behält das letzte Wort und nicht der ursprüngliche Autor. Und es ist eben jene Erweiterung des Games, die ein Lets Play ausmachen und nicht das in der Regel austauschbare Spiel selbst. Seine Interpretation der Dinge ist die eigentliche Kunst.

Der (persönliche) Niedergang

Irgendwann erreicht jedes Medium aber seinen Zenit. So wie das normale Fernsehen heute vor allem durch Werbung und Reality-Shows glänzt, hat auch die Lets Plays Szene seine Unschuld und Unterhaltung verloren, zumindest für mich.
Da wäre erst mal die Tatsache, dass die Lets Player von der Videospielindustrie abhängig ist. Und diese macht zwar wieder etwas fettere Gewinne, ist aber schlussendlich vor allem ein reproduzierender Wirtschaftszweig geworden. Warum Millionen in ein neues Spiel investieren, das wohl möglich floppen könnte, wenn man doch kostengünstiger ein Remake, eine Fortsetzung oder eine Portierung auf den Markt werfen kann? Die Leute kaufen das doch sowieso wie blöd!
Und so spielen die Lets Player ihre Lieblingsspiele, oft mehrmals und spielen dann noch die Remakes eben jener Spiele. Es scheint, man habe alles schon irgendwo gesehen. Es ist wie eine alte TV-Serie, die schon zum tausendsten Mal ausgestrahlt wird und deren Folgen man schon mehrmals gesehen hat. Mich persönlich motiviert das keineswegs zum Schauen.
Auch Lets Player welche tagtäglich auf irgendwelche neue Flashgames setzten, vermögen mich nicht zu fesseln: Im Kern ist das Gameplay aller Flashgames zu gleich um mich noch nachhaltig vom Sockel zu hauen.
Dazu kommt diese unsägliche Kommerzialisierung, welche ich nun mal nicht mit machen will. Ja, es stört mich, wenn Lets Player von den passionierten Spieler ihrer Lieblinge zu dem verlängerten Arm der Unternehmen und zum Werbeträger werden. Selbst wenn sie, um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren, nur kooperieren und dieser Aussage sicher widersprechen würden.
Ein Lets Play mag zwar generell in Sachen Witz oder Authentizität jedem anderen Medium aktuell die Nase vorn haben, ist aber in Sachen Storyqualität hoffnungslos unterlegen. Ein Spiel kann nie die Dramaturgie, Intensität oder Vielfalt der Bücher oder Filme herankommen. Und so geht es mir mit den Lets Plays oder den Spielen allgemein wie mit RTL2. Als Kind habe ich den Sender, wegen den vielen Animes, wirklich geliebt. Heute kann ich aber sagen, dass ich sämtliche RTL-Sender schon seit Jahren nicht mehr gesehen habe: Zu seicht ist mir die Unterhaltung dort, als zu dämliche empfinde ich diese Reality-Shows. Effekte gehen über Inhalt.
Die Spiele gehen einen sehr ähnlichen Weg: Ständig werden sie einfacher oder komfortabler, sich wirklich in ein Spiel einarbeiten muss man heute praktisch nicht mehr. Dazu kommen die unsäglichen DLC-Praktiken vieler Anbieter: Wer das Spiel komplett erleben will, muss oft sehr tief in die Tasche greifen. Und immer häufiger ist es auch so, dass Elemente, wie ein schwieriger Modus, früher selbstverständlich zu seinem Spiel gehörten, aber heute noch extra dazu erworben werden muss.
Zu dieser mutlosen und doch betont kapitalistischen Situation der Neuerscheinungen kommt im Falle der Lets Player eben noch erschwerend dazu, dass die wesentlichen Klassiker schon längst lets playt wurden und sich für mich nur durch den Fokus auf neuerscheinende Spiele gähnende Langeweile breitmacht. Und all die Remakes und Portierungen machen es nicht besser. Klar gibt es sicher noch tonnenweise Spiele, die während meinem bisherigen Leben an mir vorbeigezogen sind. Aber warum sollte ich nach ihnen suchen? Warum sollte ich einem Hobby noch weiterhin Sinn verleihen, wenn es sein Existenzrecht für mich verloren hat?
Seit Ende Dezember schon schaue ich kaum noch Lets Plays und ich vermisse es auch nicht. Es ist nicht verkehrt, wenn man in seiner Freizeit mehr konsumiert als produziert, aber für mich schnitten Lets Plays aus den oben genannten Gründen immer schlechter ab.
Ausserdem war dieses aufregende Gefühl weg: Am Anfang war ich bei etwas neuem dabei, fühlte mich gar auf der Höhe der Zeit. Heute empfinde ich es, auch wegen der Abnützung, an wie ein alter Hut.
Die Lets Play-Szene wiederum scheint weiterhin zu wachsen, scheint mir zumindest so. Der Masse wird es vielleicht nicht so langweilig, keine Ahnung. Der Mensch will vielleicht auch nur beschränkt Neues. Das Bekannte, immer wieder neu aufbereitet, mag vielleicht durch die Vielfalt der Lets Plays neuen Reiz gewinnen. Jedes Lets Play ist schliesslich einzigartig, selbst wenn der Lets Player ein Spiel mehrmals zeigt. Insofern könnte man Lets Plays auch als Versuch deuten, einer erstarrten Industrie neue Würze zu verleihen.
Ich bin jedenfalls froh, dass mich die Lets Plays damals von der Glotze wegbekommen haben und ich auch einige Dinge in Sachen „Projekt- oder Veröffentlichungsmanagement“ für meinen Blog lernen konnte. Und jetzt, wo ich auch von den Lets Plays weg bin, stehe ich vor der komfortablen Situation, neue Aktivitäten und lang gehütete Träume in Angriff zu nehmen.
Lobend sei noch erwähnt, dass sich durch Lets Plays inspiriert auch einige andere Formate entwickelt haben, die aber wesentlich erfolgloser sind. Beispiele sind „Let’s Show“ oder „Let’s Read“. In Letzterem liest jemand einen Text vor: „Echte“ Bücher, Fanfictions oder Creepypasta. Echte Bücher werden zusätzlich besprochen, eben wie ein Lets Plays, nur mit einem Buch.

Weitere Beiträge zur Let’s Play-Debatte:
Mit Verlusten umgehen (Cédric Weidmann)
Zurück zum Ledersessel (János Moser)

Dieser Beitrag wurde von Yoshi geschrieben und am 15. Februar 2016 um 18:54 veröffentlicht. Er ist unter Gedanken abgelegt und mit getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

Ein Gedanke zu „Über Schauspieler

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