Von JÁNOS MOSER.
Die Zukunft der Science-Fiction sieht rosig aus. Zumindest im Film-, Comic- und Videospielbereich. Während Hollywood trotz Fehlschlägen (Prometheus) fleissig eine Philip K. Dick-Kurzgeschichte nach der anderen verfilmt und sich sogar an Remakes von Schwarzenegger-Streifen traut (Total Recall), ist die SF-Comic-Abteilung bis zum Bersten gefüllt mit Abenteuern auf fremden Planeten (Betelgeuze, Antares, Aldebaran). Zuletzt sorgte die Mass Effect-Videospieltrilogie für Furore, und nicht zuletzt hat nach den letzten Horrorenttäuschungen (Silent Hill) die Dead Space-Reihe den Genrefans wieder Freudentränen in die Augen getrieben. Toter Raum? Wie schon seit den 20er-Jahre-Pulps bekannt, gruselt es sich – wenn gekonnt umgesetzt – immer noch am besten in den stillen Weiten des Weltalls. Einsame Marines oder Kopfgeldjägerinnen in Raumanzügen, verlassene Korridore eines Raumschiffes oder der marode Untergrund eines Planeten, eklige, schleimige Aliens; das passt alles irgendwie zusammen und das erste Dead Space machte von diesen Schablonen regen Gebrauch. Obwohl das Spiel kritisch auch als wenig einfallsreiche, „erwachsene“ Version von Nintendos Metroid-Reihe angesehen werden konnte, hat die Reihe mittlerweile ihr eigenes Flair entwickelt. Nach dem eher actionorientierten zweiten Teil, Spin-Offs sowie einem Film steht seit Kurzem Dead Space 3 in den Startlöchern.
Im Vorfeld enthüllten die Entwickler einen Coop-Modus. Coop? Oh Graus. Altes Gemüse, stundenlanges Anstehen an der Kasse, unfreundliche Bedienung – doch halt, gemeint ist nicht die berühmte Ladenkette, sondern die Möglichkeit, das Spiel zu zweit mit einem Partner in Angriff zu nehmen. Was Secret of Mana-Anhängern wie Musik in den Ohren klingt, ist denjenigen, die sich an das grässliche Resident Evil 6 erinnern, eine Kakophonie. Die nervigen computer- oder spielergesteuerten Partner zerstörten jegliches Horrorfeeling und machten aus der einstigen Gruselreferenz einen schlechten Witz. Dead Space-Fans haben Glück – der Coop-Modus ist rein optional, und wählt man die Einzelspielerkampagne, ist Isaac Clarke wie gewohnt allein unterwegs. Für Neueinsteiger: Clarke ist sowas wie ein Ingenieur, der im ersten Dead Space mit seinem Team ein Raumschiffwrack untersuchen sollte. Dummerweise war die Besatzung der demolierten Ishimura so tot, wie eine wildgewordene Zombiehorde nur sein kann. Nun, was da auf Clarke und co. zurannte und –kroch, waren genau genommen keine Zombies, sondern eine Neuschöpfung namens „Necromorphs“. Grässlich, wie diese Viecher kreischten. Grässlich auch, dass man ihnen die Gliedmassen statt den Kopf abtrennen musste, um ihnen das Licht auszublasen. Die Waffen: zusammengebastelte Ingenieurs-Konstruktionen wie Kreissägen-Kanone oder Teslakern-Dingsbums. Das wären mit Rücksicht auf Magenschwache fürs Erste genug Details gewesen. Jedenfalls hatte man es mit einem Raumschiff voller Monster zu tun. Grund allen Übels war anscheinend der „Marker“, ein Alien-Artefakt, das zuerst auf der Erde entdeckt und anschliessend in einem geheimen Experiment auf einem fremden Planeten nachgebaut wurde. Wer im Einflussbereich des Markers starb, wurde zu einem Necromorph. Das zog nicht nur Chaos nach sich, sondern auch fanatische Religionen, die ein neues Leben nach dem Tod predigten. Zwar zerstörte Clarke die Nachbildung des Markers im ersten Teil, geriet jedoch im zweiten Teil in die Fänge von Forschern auf einem Jupitermond, musste sich mit einem erneuten Ausbruch der Necromorphs, Regierungen, ruchlosen Firmen und sonstigen Unannehmlichkeiten herumärgern. Im dritten und vorläufig letzten Teil schliesslich verschlägt es Clarke auf einen Eisplaneten, auf dem vielleicht die Rettung der Menschheit vor der Monsterplage versteckt liegt.
Wie hält sich Dead Space 3 im Vergleich zu den Vorgängern? Der erste Teil war als Survival-Spiel angelegt. Die meiste Spielzeit verbrachte man auf der (beinahe) verlassenen, riesigen Ishimura, schlich oder fuhr per Schwebebahn von Sektor zu Sektor (Crew-Deck, Brücke usw.), erledigte vereinzelte Monster, schaltete Notstromaggregate ein oder sammelte die im Horrorgenre allseits beliebten Textnachrichten oder Audiologs auf. Die Spannung wurde geschickt aufrechterhalten. Zwar diente eine Werkbank zum Aufrüsten der Waffen, doch die Gegner schienen einem immer einen Schritt voraus zu sein und lauerten in den düstersten Ecken. Der zweite Teil wartete überraschenderweise schon mit Quicktime-Events und Actionsequenzen auf, die nicht so recht zu einem Horrorspiel passen wollten. Dafür war es erstmals möglich, sich in ausgedehnteren, schwerelosen Gebieten freier zu bewegen bzw. zu fliegen. Dead Space 3 hat diesen Pfad weiterverfolgt: Der Horror wich zugunsten der Action, überall liegen Munition und Medipacks herum, die Gegner kommen in Scharen und man hat fast keine ruhige Minute mehr. Kein Gefühl der Bedrohung kitzelt mehr an den Nerven, kein grosses, dunkles Raumschiff wartet darauf, erkundet zu werden. Zersplitterung lautet das Stichwort: Neu sind im ersten Drittel des Spiels verschiedene kleine Schiffe zu durchsuchen. Diese schweben in einem Trümmerfeld im Orbit des Eisplaneten. Also immer nervöses hin und her? Wo das Spiel Schwächen hat, liegt ironischerweise zugleich seine grösste Stärke. Die Weltraumspaziergänge sind spielerisch eine Erfahrung für sich: Mit nichts als einem Düsenantrieb an den Schuhen fliegt Clarke frei durch das All zwischen den Raumschiffen hin und her und kann dabei jede beliebige Richtung einschlagen. Die einzige Begrenzung ist die langsam sinkende Sauerstoffanzeige, die aber mit Lufttanks wieder aufgefüllt wird. Ein Rundumblick reicht, um einen wohligen Schauer zu verspüren. Da ist nichts, nichts, nichts, ausser dieser Planet, dieser Mond, diese fernen Sterne. Zusammen mit der schwebenden Musik ein Erlebnis, wie es so intensiv wohl kein SF-Film bietet – ist doch gerade der Raum das videospieltypische Element. Raum für Experimente bietet auch das neue Waffensystem. Wie früher upgradet Clarke an der Werkbank seine Schiesseisen. Nur ist diesmal alles ein wenig komplizierter: Statt vorgefertigte Modelle findet man im Spiel verstreut verschiedene Ressourcen wie Wolfram, Kupferplatinen oder Altmetall. Je nach Möglichkeit stellt man damit Waffenrahmen, „untere“ und „obere“ Tools her (was dem Primär- und Sekundärfeuer entspricht) her, die wiederum beliebig kombiniert werden. Mit ein wenig Glück, aber nur in Ausnahmefällen, entdeckt man einen Waffenplan, mit dem sich eine komplette Waffe herstellen lässt, was aber viele Ressourcen verschlingt. Kommen die sogenannten Upgrade-Platinen hinzu, mit denen man eine Waffe weiter modifizieren kann (mehr Feuerstärke, kürzere Nachladezeiten …). Auf die Ressourcen selbst stösst man entweder eigenhändig oder man schickt einen Sucher-Bot aus, der alles einsammelt und nach einer gewissen Zeit mit frischen Materialien zur Bank zurückkehrt. Zu guter Letzt gibt es Spezial-Zusätze für den Coop-Modus (dieser wurde nicht getestet, aber er soll ganz in Ordnung sein). Das Ressourcen-System wird indes auch für den Anzug angewendet, wenn auch nur für Upgrades wie mehr Luftkapazität oder längere Stase-Dauer (mit Stase kann man Gegner verlangsamen). Alles in allem sind diese vielen Modifikationsmöglichkeiten ja ganz nett, allerdings wäre hier weniger wohl mehr gewesen, und dass ich mir immer den Kopf zerbrechen soll, welches Tool ich jetzt an welchen Rahmen anhänge, stört den Spielfluss – nicht alle sind Bastler.
Alt im All
Ab und an bequemt sich Isaac dazu, seinem Gesicht die Blösse zu geben. Wir sehen einen müden Herrn mit ergrauten Haaren. Liegt es an dem ständigen Stress mit Necromorphs oder daran, dass die Dead Space-Reihe langsam etwas an Fahrwasser verliert? Die Meinungen mögen an diesem Punkt auseinandergehen. Meine ist: Action bekommt dem alten Herrn nicht gut. Zu viel Geballer, zu wenig Horror – das Blut an den Raumschiffwänden lockt auch keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Dead Space geht den Weg, den viele Blockbuster in den letzten Jahren gegangen sind. Sie wollen wie Uncharted sein, das sich blendend verkaufte, weil der filmische Einschlag zu Nathan Drake so gut passte wie der Krempenhut zu Indiana Jones. Das kommt im Horrorgenre meist schief raus. Bei Dead Space hält sich alles noch ein wenig in der Waage. Vor dem Totalabsturz retten die eindrücklichen Flugsequenzen im freien Weltraum, Pferdefuss sind die unnötigen Quicktime-Events. Das Waffenbasteln ist gut gemeint, nervt jedoch mit der Zeit. Wer seine Dead Space-Sammlung vervollständigen möchte, ist mit diesem Spiel gut beraten. Solche, die ein Horrorspiel suchen, sind mit dem ersten Teil besser bedient.
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