Freies Feld

Car Battler Joe

Von JÁNOS MOSER.

„Lass uns ein Rennspiel machen.“ – „Keine gute Idee. Dann lieber ein RPG.“ – „Also ich wäre für eine Wirtschaftssimulation.“ – „Da sind aber keine Schusswaffen dabei. Wir brauchen unbedingt Schusswaffen.“ – „Mumpitz. Die Spieler wollen Gegenstände sammeln.“ – „Übrigens wären mir Mehrspieler-Arenakämpfe lieber.“ – so oder ähnlich könnte es in den Büros von Ancient im Jahr 2001 ausgesehen haben. Versöhnlich einigte man sich auf einen Kompromiss. Das Resultat ist die GBA-Obskurität Car Battler Joe. Ohne die Werbetrommel zu rühren, ging das Spiel so still von der Bühne, wie es aufgetaucht war. So recht wusste auch niemand etwas damit anzufangen, war es doch weder Fisch noch Vogel. Zudem überschattete Anfang 2000er so manches „gewöhnliche“ Rennspiel mit grossem Namen (z.B. V-Rally 3) den Handheld-Markt. Deshalb: dringend mal wieder die Motoren anspringen lassen.

Genremix

Was denn nun Car Battler Joe in erster Linie sein will, ist wirklich schwer zu sagen. In klassischer RPG-Manier begleiten wir erstmal Joe, den rothaarigen Protagonisten (der auf dem Cover einen leicht sympathischeren Eindruck macht als in Sprite-Form) auf seinen ersten Schritten durch sein Haus. Als 16-jähriger Knirps träumt er davon, ein legendärer Car Battler wie sein Vater zu werden. So weit alles wie gehabt. Dann fordern ihn drei weitere Knirpse zu einem Arenakampf heraus. Das Spiel wechselt in die Mode 7-Ansicht ähnlich Mario Kart, man steuert einen Wagen über einen rechteckigen Kampfplatz und versucht die gegnerischen Fahrzeuge wegzustossen. Nach diesem kleinen Tutorial geht es richtig los: zum Geburtstag erhält Joe einen kleinen Roboter namens Pal, welcher die Klapperkiste in ein „Armored Gun Vehicle“ transformiert. Soll heissen: Jetzt wird geballert, was das Zeug hält. Zumindest mit einer schwachen Standardwaffe, dem Maschinengewehr. Im örtlichen Laden nimmt Joe verschiedene Jobs an, um Geld zu verdienen. Diese spielen sich wie zuvor in 3D ab und führen über die Rennstrecken, welche die Ortschaften verbinden. Auf ihnen begegnen wir regelmässig anderen „Vehicles“, die uns mit Kreissäge, Laserwaffen oder Flammenwerfern angreifen. In den meisten Fällen kann man die Gegner umfahren, mehr Spass macht es jedoch, ihnen Paroli zu bieten. Mit dem Geld, das man durch die mehr oder weniger abwechslungsreichen Jobs verdient (Kurieraufgaben, Kopfgeldmissionen, Suche nach Gegenständen …) rüsten wir den Wagen nach und nach auf. Nicht nur neue Waffen gibt es zu kaufen, auch lassen sich die einzelnen Teile verstärken. Jeder Wagen hat drei Waffenslots, die Schüsse unterschiedliche Reichweite – tricky, denn diese werden je nach Entfernung des Ziels automatisch ausgewählt. Spezielle „Overdrive“-Fähigkeiten erlauben uns sogar das Springen oder Driften, hierfür müssen wir aber auf den Strecken zerstreute Karten finden. Nicht nur der Wagen selbst, auch die Garage können wir updaten, indem wir die benötigten Utensilien entweder in einem Laden kaufen oder von den Gegnern „farmen“. Der Ausbau der Garage ist dringend nötig; auf dem niedrigsten Level kann euer Wagen gerade mal einen (Missions)Gegenstand tragen, was bei der Fülle an herumliegenden Ressourcen extrem nervt. Mit steigendem Level erhält euer Wagen einen Anhänger; auf der höchsten Garagen-Stufe (8) trägt man so bis zu vier Gegenstände mit sich, was zwar immer noch wenig ist, aber besser als nichts. Regelmässig muss man deshalb die Items am Computerterminal zeitraubend vom Anhänger in die Garage verschieben. Fraglich ist auch, warum man später ganze zweiunddreissig Parkplätze für die Wagen bekommt. Mehr als drei oder vier wird man während des Spielverlaufs ohnehin nicht füllen, wenn man vorwiegend den Storymissionen folgt. Wie auch die Overdrive-Karten sammelt man die einzelnen Wagenteile übrigens direkt auf der Rennstrecke auf. Zu guter Letzt gibt es sogar ein Dorf auszubauen. Anders als z.B. beim Feendorf aus Breath of Fire IV gestaltet sich diese Aufgabe jedoch lediglich als Ressourcenbeschaffung. Den Ertrag braucht man wiederum, um weitere Autos herzustellen oder alte aufzurüsten. Löblich: nach dem Ende des Spiels kommen zwei weitere Dörfer hinzu, ausserdem neue Strecken und Aufgaben.

Vater und Sohn

Wenn man nicht gerade mit Nebenjobs, dem Garagen- oder Städtebau beschäftigt ist, bekommt man eine seichte, aber ohnehin unwichtige RPG-Geschichte serviert, die sich etwa auf dem Niveau von Pokémon bewegt. Joe sucht seinen Vater, der einst ganz an der Spitze der Car Battler stand, jetzt aber für den Untergang der Liga verantwortlich sein soll. Ja, ähnlich einer Pokéliga gibt es sogar Battlecar-Championships, in denen man in einer Arena gegen andere bewaffnete Fahrzeuge antritt. Im Spielverlauf dürfen wir zwar nur an einem dieser Championships teilnehmen, aber ein gesonderter Spielmodus erlaubt uns, mit denen in der Story ergatterten Wagen beliebig oft gegen die KI oder menschliche Mitspieler anzutreten. Ansonsten wird das Land von verschiedenen Autogangs bevölkert, die sich Gebiete abstreitig machen wollen und die Strassen unsicher machen. Schade, kann man sich keiner wirklich anschliessen, sondern bekämpft bloss ein paar der Bosse. Ein wirkliches Problem stellt indessen der Spielfortschritt dar: Zuweilen geht die Story erst weiter, wenn man die Garage auf ein bestimmtes Level gebracht hat oder ein bestimmtes Dorf besucht. Das alleine wäre ja nicht schlimm – wenn die Entwickler nur einen Hinweis einbauen würden, was denn zu tun sei. So irrt man stundenlang unwissend von Dorf zu Dorf und ärgert sich grün und blau. Umso schlimmer, dass auf der Minikarte kein vernünftiges Reisen möglich ist, da man kein Dorf überspringen kann und jede Strecke einzeln „skippen“ muss, sofern man sie schon einmal gefahren ist. „Dorf“ wäre übrigens bei den meisten Ortschaften zu viel gesagt; meist bestehen sie nur aus zwei oder drei langweiligen Häusern. Die Fahrsequenzen selbst steuern sich ganz ok, wenn auch etwas ungenau. Da die Strasse aber immer genug Platz lässt, spielt das keine so grosse Rolle. Eine Rolle hingegen spielen die oftmals unklaren Zusammenhänge: Warum braucht der Ausbau der Garage Mineralwasser? Was macht es für einen Sinn, die Overdrive-Fähigkeiten erst im Item-Menü per Karte freischalten zu müssen? Wozu ist die SP-Leiste gut? Woher kommt das Geld, das einem Joes Mutter gibt? Ist „Empire“ nun eine Regierung oder eine Strassengang, und warum wurden die vorher nie erwähnt? Und was bringt das „Schlafen“, wenn die HP doch bei jeder Mission neu aufgefüllt sind? Gepaart mit den stetigen Abkürzungen (Bsp.: der Motor eures „Panther“-Wagens heisst „PEngNT1“) wird das Ganze nahezu kryptisch. Oder wie soll man darauf kommen, dass dieses unförmige Ding mit dem seltsamen Namen, das man in einem Baum versteckt gefunden hat, die Karosserie eines Wagens ist?

Fazit

Car Battler Joe: gelungenes Wage(n)stück oder Totalreinfall? Die Obskurität des Titels ist sicherlich ein Bonus, wenn man sich auch ein bisschen weniger davon in inhaltlicher Hinsicht gewünscht hätte. Wenn man die Abkürzungen erst einmal begriffen und in die unintuitiven Menüs, die Steuerung und das Spielprinzip reingefunden hat, bekommt man ein abwechslungsreiches und mutiges Spiel, das für ein paar Tage fesselt. Wünschenswert wäre eine grosse Konsolenversion, in der man durch eine von Borderlands inspirierte Welt brettert und an MMO-Tournaments teilnimmt. Oder?

Dieser Beitrag wurde von Yoshi geschrieben und am 11. September 2014 um 16:03 veröffentlicht. Er ist unter Reviews abgelegt und mit , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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