Von JÁNOS MOSER.
In Far Cry 3 erleben Jason Brody und seine amerikanischen Durchschnittsteenager-Freunde die Party ihres Lebens. Auf einem Inselparadies gestrandet, kippen sie sich die Birne weg und springen per Fallschirm aus dem Flugzeug. Pech, dass sie im Gebiet der Südseepiraten landen und prompt gefangen genommen werden. Wie für Ego-Shooter üblich, fängt da der Spass aber erst richtig an. Nach einer spektakulären Flucht landet Jason in einem Dorf der Rakyas, der ansässigen Ureinwohner. Von dort erkundet er die Insel auf der Suche nach seinen entführten Freunden und hilft dem Stamm zugleich, die fremden Eindringlinge abzuwehren. Nach und nach gelingt es ihm, die Insel zu befreien und so zu einem mächtigen Rakya-Krieger aufzusteigen.
Psychopathen
Das ist das Szenario des 2012 erschienen dritten Ablegers der Far Cry-Serie. Wie glaubwürdig es ist, entscheidet erst einmal die eigene Vertrauensseligkeit. Das Spiel nimmt das sogenannte Tatau zur Hilfe, eine Art magisches Tattoo an Jasons Arm, das die nichtsahnende Spielfigur zum Krieger prädestiniert. Eine wie auch immer geartete Erklärung jedenfalls, derer es Vaas mangelt. Vaas ist das prominente Oberhaupt der Piraten und der Bösewicht für die ersten zwei Drittel des Games. Als Sklavenhändler verschachert er Jasons Freunde für teures Geld und herrscht über die nördliche Insel (ja, es sind zwei). Wie schon Joker und Kefka vor ihm gliedert er sich in die Reihe der Psychopathen ein. Das heisst: keine tränenreiche Vorgeschichte, keine Entschuldigungen oder mildernde Umstände. Der evil maniac ist so gut gemimt, dass er den übrigen Figuren die Show stiehlt. In manchen Storysequenzen erreicht Far Cry 3 schon fast Bioshock-Niveau, überrascht mit guten Wendungen und starker Inszenierung. Ein Glück: denn die klischierten Ami-Teenies alleine reissen niemanden vom Hocker. Hoyt, der Drogenbaron der Insel, ist zwar ebenfalls durchtrieben, erreicht aber nicht mehr das Niveau seines verrückten Handlangers, was dem Game trotz einiger spektakulärer Szenen am Ende etwas Antiklimatisches verleiht. Zudem erscheint Jason als leicht inkongruenter Charakter. Würde einer, ganze Piratenlager ausräumt, beim Häuten eines Tieres angeekelte Geräusche von sich geben? Die Idee, Jason zwischen seinem Krieger- und Teenagerdasein hin- und herpendeln zu lassen, ist zwar ambitioniert, birgt aber kleinere Fettnäpfchen wie das eben erwähnte. Insgesamt sind das jedoch Kritikpunkte, die der Story nur wenig anhaben können. Das rohrschach’sche Flackern des Startbildschirms deutet es voraus: Drogentrips und Wahnsinn spielen die Hauptrolle, gemischt mit Sex-Initiationsriten. Weshalb man das Ganze mit Carroll-Zitaten an den Kapitelanfängen garnieren musste, ist schleierhaft. Nun, das ist man sich schon von anderen Games gewohnt, wie auch die Anleihen an Hollywood, wobei diesmal Apocalypse Now herhalten musste. Die Hauptmissionen sind und bleiben aber sehr abwechslungsreich, voller Tempo und toller Action. Bei den unzähligen Explosionen, Helikopterabstürzen und Schiffsunglücken denkt man zuweilen an die RE6-Falle; Far Cry 3 ist jedoch zu Recht ein Shooter und kein Horrorgame. In der Mitte der Story hat man auch eine Prise Uncharted eingestreut.
Entdeckungsreise
Abseits der geskripteten Events bietet Far Cry 3 eine riesige, offene Inselwelt, die nach Lust und Laune erkundet werden darf. Die spannende Topografie mit ihren Bergen, Wäldern, Flüssen und Seen wird mit Fahrzeugen aller Art erobert, sei es Quadbike, Motorboot oder rostiges Auto. Sogar ein Wingsuit und Paragleiter sind mit dabei. Die wunderschöne Landschaft mit ihren Sonnenuntergängen erinnert in ihrer sorgfältigen Umsetzung an ein Red Dead Redemption in den Tropen. Nicht nur Menschen bevölkern die Insel, sondern auch Tiere: Hirsche, Dingos, Wildschweine, Krokodile, Warane, Tiger, Bären, Vögel, … der Dschungel strotzt vor Lebendigkeit auf engstem Raum. So kann es oft vorkommen, dass einem während der Jagd nach Waranen ein Tiger sprichwörtlich in den Rücken fällt, oder, noch schlimmer, während man gegen Piraten kämpft. Droht Frust aufzukommen, ist es immerhin jederzeit möglich, per Schnellreise an einen beliebigen Aussenposten oder in ein Dorf versetzt zu werden. Eine Option, von der man früher oder später gerne gebrauch macht, denn die Welt ist wirklich gross und die Fahrwege unberechenbar. Die Dörfer bestehen zum Grossteil aus Baracken und ärmlichen Hütten. Nichts Spektakuläres, aber die Natur hat das Ihrige zu bieten.
Jagd und Kampf
Als Open World-Shooter setzt Far Cry 3 nicht nur auf stumpfes Geballer, sondern auch andere Aktivitäten. So gibt es auf der ganzen Insel insgesamt achtzehn Türme, die, ähnlich wie in Assassin’s Creed, erstiegen werden müssen, um einen Teil der Karte aufzudecken. Wem der Balanceakt auf den Metallstreben zu unsicher ist, darf sich einer der zahlreichen kleinen Herausforderungen wie Pokern, Bootsrennen, Messerwerfen und Päckchentransport widmen. Die zwei spassigsten und zugleich wichtigsten Nebenaufgaben sind das Erobern der Aussenposten und das Jagen. Anfangs ist Jason ein ausgemachter Schwächling. Er kann nicht mehr als eine Waffe tragen und die Munition geht ihm schneller aus als einem löchrigen Ballon die Luft. Deshalb ist es überlebenswichtig, erst einmal genügend Felle zu sammeln, um grössere Tragtaschen herzustellen. Für das jeweils letzte Update benötigt man das Fell eines seltenen Tieres, wie z.B. dem „unsterblichen Bären“. Dank der überall auf der Insel verteilten Pflanzenbeeren stellt man Spritzen her, welche die Gesundheit auffüllen oder einen kurzzeitig mit besonderen Fähigkeiten (z.B. Jagdinstinkt) ausstatten. Durch das Erfüllen von Jagd- und Kopfgeldmissionen erhält man ausserdem Exp, die man in einen der drei Skill-Bäume investiert. Je nachdem, ob man sich auf den „Reiher“, den „Hai“ oder die „Spinne“ spezialisiert, ändert sich der Spielstil (Schleichen, Kampf usw). Zumindest zu Beginn – gegen Ende schaltet man bei allen drei Richtungen beinahe alle Fähigkeiten frei. Diese reichen vom schnelleren Nachladen über längeres Sprinten bis hin zu Mehrfach-Takedowns (lautloses Ausschalten), die in ihrer morbiden Absurdität Verwirrung unter den Piraten oder Söldnern stiften. Diese halten sich, wenn sie nicht gerade mit dem Auto über die Insel brettern, in den erwähnten Aussenposten auf. Vierunddreissig gibt es davon, und bei einer Eroberung winken Exp, Geld, neue Aufgaben und ein Schnellreiseziel (leider keine seltenen Waffen u.ä.). Es gibt viele Arten, einen Posten anzugehen: rase ich mit dem Auto durch das Tor und mähe alles nieder, was mir in die Quere kommt? Schalte ich erst den Alarm aus, um dann alle Gegner nacheinander hinterrücks zu meucheln? Oder befreie ich den gefangenen Bären, der mit ihnen kurzen Prozess macht? Brachiales Vorgehen ist, jedenfalls am Anfang des Spiels, keine gute Idee. Die Takedown-Fähigkeit avanciert deshalb zum besten Freund und Helfer. Mit Druck auf die Oben-Taste zückt Jason eine Kamera, mit der sich Feinde markieren lassen, sodass ihre Blickrichtung und Position auf der Karte angezeigt wird. Ein besonderes Gimmick ist die realistische Brandentwicklung. Richtet man den Flammenwerfer (oder wirft eine Granate) in die Vegetation, entsteht bei günstigem Wind ein Flächenbrand, der die Feinde von allen Seiten einschliesst.
Bugs
Technisch hat die PS3 also etwas zu bewältigen. Sie schafft es mehr schlecht als recht: das Spiel leidet an dem für Open World-Spiele allzu bekannten Problem der verspätet ladenden Texturen. (Bestes Beispiel dafür ist wohl GTA San Andreas). Manche Bugs verhindern ausserdem das Abschliessen einer Jagdmission. So tauchte einmal einer der fünf Hirsche nicht mehr auf, die man per Scharfschützengewehr erledigen sollte. Der schlimmste Bug ist aber wohl der bodenlose Abgrund, der sich Jason bei einem falschen Schritt auftut. Im nächsten Moment fällt er durch den Meeresgrund hindurch, um plötzlich am Himmelsfirnament aufzutauchen. Dass man in diesem Niemandsland dann auch noch den Wingsuit benutzen kann, ist der Gipfel der Absurdität. Der Rest geht mehr oder weniger in Ordnung. Die Musik gibt 2-3 Glanzmomente in wichtigen Storyszenen her, ansonsten plätschert sie im Hintergrund, um nicht abzulenken. Beim Benutzen eines Fahrzeugs läuft gemütlicher Reggae-Sound. Toll!
Fazit
Far Cry 3 ist ein guter Open World-Shooter, der die schwierige Balance zwischen packend erzählter Geschichte und Erkundung abseits der Pfade hält. Wer nicht mit der manchmal etwas übertriebenen Handlung zurecht kommt – wobei diese dank des charismatischen Bösewichts Vaas auf jeden Fall toll inszeniert ist – dem bleiben immer noch die zahlreichen Nebenaufgaben. Vor allem das taktische Vorgehen im Kampf um die Aussenposten und die Jagd verleihen dem Spiel Würze. Und als Welt an sich wird die an wunderschöner Fauna und Flora reiche Insel sicher in guter Erinnerung bleiben.