Von JÁNOS MOSER.
Vor fast einem Jahr hielt FreiesFeld eine Rückschau auf Breath of Fire IV, ein RPG alter Schule aus dem Hause Capcom. Mittlerweile hat sich so einiges getan und der sechste Teil der Reihe wurde – zwölf Jahre nach Dragon Quarter – angekündigt. Ein Jammerschrei folgte dem anderen. Tablet und Smartphones? Actionbasiertes Kampfsystem? Helden nach Baukastenprinzip? Und warum hat Ryu keine blauen Haare mehr? Kurz: das Desaster scheint komplett. Gäbe es da nur nicht diese alten Klassiker BoF I-V, denen man nachtrauern müsste, doch es gibt sie und die Tränen der Nostalgie lassen JRPG-Fans in apathische Zustände sinken. Mit Blick auf den vierten Teil ist an der Verherrlichung vielleicht gar ein wenig etwas dran. Doch wie sieht es mit Teil drei aus? War der wirklich so gut, wie Fanatiker immer behaupten? Oder teilt das Spiel sein Schicksal mit Final Fantasy VII, das wohl vor allem deshalb so gehypt wurde, weil es für viele die erste RPG-Bekanntschaft war? FreiesFeld hat sich herangewagt, die verstaubte PS1-Disk von ihrer Flohmarktexistenz erlöst und sie in den Feuerrachen der PS3 geschoben. Denn wie wir alle wissen: nach IV folgt III.
Drachen und Diebe
Zugegeben, das GBA-Remake von Teil 2 hatte das bislang spektakulärste Intro. Hier sieht man lediglich ein paar undeutliche Schemen auf einem vorbeiscrollenden Wandteppich, bevor der Titelschriftzug erscheint. Aber das ist ja auch nicht wichtig; die Monster und kämpfenden Helden sollen einen ja bloss vage darauf einstimmen, was folgt. Schon mal vielversprechend ist, dass statt wie bei BoFIV unsere Augen mit japanischen Zeichen zu verwirren, BoFIII mit dem englischen Schriftzug daherkommt, und ein „neues Spiel“ beginnen wir sogar mit einer deutschen Übersetzung. Das Game fängt ziemlich gut an: Ein knuddeliger Drache wird aus einem Minenschacht befreit, worauf er ein Grillfest zu Ungunsten der Bergarbeiter veranstaltet. Ein paar verkohlte Leichen später wird er geschnappt und gerät auf einen Transporter. Am Käfig rüttelnd, poltert er den Abhang hinab und bleibt im Wald liegen. Nun sehen wir auch, wer der Drache eigentlich ist: Ryu, die Hauptfigur jedes BoF-Spiels, diesmal als kleines Kind. Von Rei, einem der altbekannten Tigermenschen (siehe Katt aus Teil 2 und Cray aus Teil 4), wird er gefunden und zusammen mit Teepo, einem jungen Raufbold, grossgezogen. Die drei verstehen sich aufs Diebesgeschäft, rauben jedoch eines Tages den Falschen aus … – so viel zur Story. Letztendlich geht es darum das Geheimnis von Ryus Herkunft zu ergründen und die Frage zu beantworten, weshalb die Drachen vor Jahrhunderten ausgelöscht wurden. Im Vergleich mit den anderen Genrevertretern sackt die Story leider deutlich ab: Weder geschieht in den ersten 20-25 Spielstunden – ja nicht einmal nach 40 Stunden – etwas von Bedeutung, noch kommt wirklich Spannung auf. Grund dafür ist die Erzählweise. Der Spieler verfolgt Ryus Leben von der Wiege bis zu einem kräftigen Jüngling und gerät dabei von einer Nebensächlichkeit in die andere. Mal befreit er ein Dorf von einem Tyrannen, mal kämpft er sich den Weg aus einem Kolosseum frei oder bekommt Schwierigkeiten mit dem König von Wyndia. Nichts von alldem scheint eine wirkliche Bedeutung zu haben. Es sind Nebenepisoden, wie wir sie aus Sandkastenspielen kennen, die uns mit tausenden unnötigen Aufträgen den Kopf verwirren wollen. Der Unterschied ist nur, dass der BoFIII-Spieler keine andere Wahl hat, als alle Ereignisse in der vorgegebenen Reihenfolge abspulen zu lassen und sich dabei fürchterlich zu langweilen. Das Spiel hat bis weit ins letzte Drittel hinein keinen Fokus. Ryu pendelt hierhin und dorthin, wird in Machenschaften irgendwelcher Kleinganoven hineingezogen, aus denen er so ratlos wie unbeschadet wieder herauskommt. Er löst kleine Aufgaben, die ihn zum nächsten Hindernis führen, wonach er irgendeinem Bauern hilft, und so weiter und so fort. Das ist umso bedauernswerter, als in der Geschichte durchaus Potenzial stecken würde, neue Möglichkeiten einer RPG-Story auszuloten. Es existiert nämlich bis auf weite Strecken kein eigentliches „Böses“ in der Welt von BoFIII, das gebannt werden müsste, wie es das Ziel unzähliger anderer Abenteuer ist. Im Gegenteil: „Die Brut“ (Die Drachen) und die Göttin Myria (auch in fast jedem Teil dabei) sind auf eine Weise miteinander verbunden, die mehr ist als nur Schwarz gegen Weiss. Malen in Zwischentönen ist für Literatur und Film längst Standard, in Sachen RPGs hätte sowas damals zum Selling Point werden können – aber eben nur, wenn das Potenzial sinnvoller ausgeschöpft worden wäre. Man denke da auch beispielsweise an den etwas unvermittelten und schlecht erklärten Bruch zwischen dem kindlichen und dem jugendlichen Ryu, der an sich eigentlich gut in ein Coming of Age-Szenario passen würde.
Zwiebeln und Kolosse
Die Stärke von Breath of Fire III liegt dafür einmal mehr – wär hätte es gedacht? – im Figurendesign. Vogelfrau Nina ist wieder dabei, hinzu kommen Zwiebel (ja, Zwiebel) Peco und Koloss Garr. Dabei schlüpfen leider auch ein paar RPG-Klischees ins Game, wie die technikbegeisterte Draufgängerin Momo; Chrono Trigger lässt grüssen. Was die Charaktere selbst angeht, so sind die leider wieder so flach wie im archaischen ersten Teil aus dem Jahr 1993, wenn nicht sogar flacher. Überhaupt lässt sich langsam, aber sicher eine Art Müdigkeit ausmachen, was die Drapierung der Welt anbelangt. Wir haben das obligatorische Geisterschiff, den Vulkan, das Kolosseum, einen Tyrannen, schale Running Gags … vor der Teilrevolutionierung des Genres (Final Fantasy 7) lag der Wind still, und das merkt man bei BoFIII leider besonders deutlich. Noch hat man es nicht mit SF und Industrial zu tun, Fernem Osten und Cyberspace. Alles bewegt sich auf bekanntem Gebiet und verlässt nur selten, wenn überhaupt, die ausgetretenen Pfade. Daran kann auch das Kampfsystem nicht viel ändern, obwohl erstmals die Meister eingeführt werden, die einem freiere Hand bei der Erlernung von Fähigkeiten und der Spezialisierung auf Kampf oder Magie erlauben. Das System steckte damals noch in den Kinderschuhen, es wird nichts erklärt, und so kann es passieren, dass ein unaufmerksamer Spieler die Funktionsweise der Meister überhaupt nicht mitkriegt. Wie auch später bei Teil 4 lassen sich die erlernten Fähigkeiten im Camp auf der Weltkarte zwischen den Charakteren austauschen. Das hilft, wenn es mal ans Eingemachte geht, sprich zu einem Bosskampf kommt. Die Bosse im Spiel sind teilweise erstaunlich hart und ohne die richtige Strategie ist mit ihnen nicht gut Kirschen essen. Auf Schutzzauber und Hilfsitems ist man in vielen dieser Kämpfe mehr als angewiesen, zumal die vorangehenden ausgedehnten Dungeons voller Fallen sind, welche die Party ordentlich schwächen. Die Zufallskampfrate ist verglichen mit den PS1-FFs sehr hoch, verglichen mit BoF2 schon sehr viel niedriger. Jedenfalls erwartet einen kein Zuckerschlecken, und ohne Grinding (im Kreis rennen und aufleveln) im ersten Drittel des Spiels sollte man es gar nicht erst versuchen. Wenn man sich erstmal ein paar Level hochgeschraubt und eine gute Strategie zurechtgelegt hat, kommt der Spielfluss in die Gänge. Die Weltkarte ist übrigens noch keine „Karte“, sondern getreu im Stil der RPG-Urahnen (Minihäuser als Dorf usw). Ansonsten plagen das Spiel ein paar Designschwächen: Charaktere müssen in den ungünstigsten Zeitpunkten ausgewechselt werden, wenn sich z.B. mal wieder ein NPC dazu erdummt, nur mit den Frauen sprechen zu wollen, Teammitglieder bleiben stecken und laufen blind in Fallen, die Minispiele nerven nur (auch wenn es zum Glück weniger sind als in Teil 4). Die Haare raufen wird man sich auch in den Shops – die Waffen und Rüstungen sind so teuer, dass man stundenlang trainieren muss, nur um das nötige Kleingeld zusammenzukriegen. Ärgerlich, aber auch verständlich ist, dass fast alle gröberen Waffen empfindlich den Wert für die Schnelligkeit senken. Die meisten Gegenstände (ausser Antidots, Vitamine bzw. Kräuter und MP-Auffrischer) bringen es im Übrigen nicht wirklich. Fischen kann man wie üblich, und ein Feendorf aufbauen. Die Bewirtschaftung geht allerdings etwas verknorzter vonstatten als in BoFIV. Ein Wort muss auch zur Übersetzung verloren werden. Diese bewegt sich im unteren Niveaubereich, Schreibfehler, Stilblüten und Fehlübersetzungen sind überall zu finden. Wer auf die Idee kam, den Dorfältesten des Drachenclans Bono zu nennen, verdient eine Medaille. Den Gipfel der Seltsamkeit bildet ein hessisch sprechender Delfinboss. Ja, was zur Hölle, hessisch. Hessisch! Mangels englischer Version konnte diese Entscheidung nicht nachempfunden werden, wahrscheinlich erlaubten sich die Übersetzer einen dummen Scherz.
Drachenmagie
Ein Pluspunkt des Spiels ist abgesehen vom Figurendesign die Drachenmagie. Wer die relativ langweiligen Verwandlungen in den übrigen BoF-Spiel beklagte, wird hier seine wahre Freude haben. Insgesamt lassen sich im Storyverlauf oder in geheimen Verstecken rund 18 verschiedene „Drachen-Gene“ finden. Zuerst lässt sich damit nicht viel anfangen; entweder wird Ryu zum Eis-, Feuer- oder Donnerdrachen. Wenn man aber erst einmal genügend Gene gesammelt hat, wird die Sache richtig spannend. Da gibt es Gene wie „Wunder“, „Umkehr“, „Macht“ und „Eldritch“, die Ryu je nach Zusammenstellung ein anderes Aussehen und andere Fähigkeiten verleihen. So lässt er ganze Meteoriten auf Monsterköpfe fallen, pustet einen Schneesturm los oder verursacht ein Blitzgewitter – die Liste der Fähigkeiten ist lang und interessant. Solange Ryu in der Drachenform bleibt, wird ihm jede Runde eine bestimmte Anzahl MP abgezogen, je nachdem, wie mächtig die Form ist, die man gewählt hat. Jede Form hat mindestens eine Standardattacke, die nichts kostet, und eine, die viele MP abzieht. Es ist also Vorsicht geboten; auch, weil Ryu auf gewisse Gegnerattacken in Drachenform sensibler reagiert. Die stärksten Drachenformen lassen gar die ganze Party verschwinden und man kämpft nur noch mit dem Reptil. Dies ist aber nur in den äussersten Fällen ratsam, da daraus auch viele Nachteile erwachsen (z.B. keine Heilzauber). Die übrigen Charaktere haben zumindest Standardsprüche auf Lager (Zyklon, Frost). Manche warten aber mit einer besonderen Fähigkeit auf. So ist Garr ziemlich resistent gegen Feuer, während Nina eine der schnellsten der Gruppe ist. Momo ist auf Statusveränderungen spezialisiert, und Rei kann sich gar in einen Wertiger verwandeln. In dieser Form ist er jedoch nicht mehr kontrollierbar. Das Tüpfchen auf dem i bilden für einmal mehr die Monsterfähigkeiten, die durch einen Beobachten-Kampfbefehl abgeschaut werden können. Das Spiel ist aber auch ohne diese zu schaffen und sie sind eher eine nette Dreingabe. Was die Freude an all den Fähigkeiten eher schmälert, ist, dass man sie zuweilen gar nicht richtig sieht. Wie das? Nun, da das Game nicht in einen separaten Kampfbildschirm wechselt, kann es vorkommen, dass Figuren, Gegner oder Attacken von Büschen, Bäumen und Wänden verdeckt werden, je nachdem, in welcher Ecke man gerade herumwuselte.
Technik
Wo man dem Spiel fairerweise ebenfalls ein oder zwei Dinge zugute halten kann, ist erstaunlicherweise die Technik – in damaligen Verhältnissen, versteht sich. Zwar fällt die Grafik im Vergleich zum Nachfolger etwas schwächer aus, doch die Animationen sind top wie eh und je und erlauben sogar ein gewisses Einfühlen. Während Ryu zum Beispiel zu Beginn sein Schwert kaum zu halten vermag und mit geschlossenen Augen damit herumfuchtelt, wird er später immer sicherer, was sich an seinem beherzten Schwertschwung ablesen lässt, so ganz ohne unnötige Worte. Momo liest ihre wissenschaftlichen Bücher, Nina löst ab und zu ihr Haarband und Rei wedelt mit seinem Tigerschwanz. Die Pixelcharaktere bewegen sich in der isometrischen Perspektive, welche sich zwar nicht vollständig drehen lässt, doch dies fällt wenig ins Gewicht, da die Häuser und Sträucher nicht so gedrängt stehen, dass man etwas übersieht (ausser, die Entwickler wollten es so). Die Musik ist gewöhnungsbedürftig. Statt epischer Orchesterklänge hat man es mit jazzigen Stücken zu tun, die schwer ins Ohr gehen. Wer Jazz mag, wird hier gut aufgehoben sein, alle anderen werden musikalisch erst wieder bei BoFV so richtig entschädigt. Apropos Technik: Vom PSP-Port ist angeblich aufgrund der horrenden Ladezeiten abzuraten.
Fazit
Sollte man Breath of Fire III gespielt haben? Nein, wenn man nicht die komplette Serie gesehen haben möchte. Spielerisch wie auch storytechnisch ist BoFIII einer der schwächeren Teile. Es will keine wirkliche Spannung aufkommen und man erledigt die auferlegten Quests vor allem aus Zwang. Ein paar witzige Momente lockern das Spiel auf, aber die sind im Trott des Levelns und Kämpfens schnell wieder vergessen. Besonders schade ist, dass das Potenzial der Perspektive auf Ryu als Heranwachsender nicht genützt wird. Es gibt keine Liebesgeschichte, keine Umwälzungen, keine grossen Schicksale, zumindest bis kurz vor dem Ende nicht. Nun braucht es natürlich nicht immer Schicksale; vielleicht würde es Videospielen mal gut tun, wenn nicht immer die grössten Geschütze aufgefahren würden. Aber dann sollte es für ein RPG möglich sein, auch die kleineren Dinge des Lebens einigermassen interessant zu erzählen. BoFIII scheitert an diesem Anspruch.