Freies Feld

Castlevania: Lords of Shadow 2

Von JÁNOS MOSER.

Lange haben wir darauf gewartet, jetzt ist es da: Castlevania: Lords of Shadow 2. Das Ende des ersten Teils liess Grosses vermuten: Gabriel Belmont, Spross der berühmten Vampirjägerfamilie, besiegte Satan und erlöste seine Frau Marie mithilfe der Schattenfürsten. Im Gegenzug wurde ihm ewiges Leben gewährt. Irgendwann schlug ihm das auf den Magen und er legte sich den Namen Dracula zu. Dessen ungeachtet bat Ritterkumpel Zobek ihn tausend Jahre später um erneute Hilfe im Kampf gegen den Teufel. In der letzten Szene stürzte Gabriel alias Dracula aus einem schmucken Kirchenfenster hinab in die Strassenschluchten einer Grossstadt. Man rieb sich zuerst die Augen, dann die Hände: GTA mit dem dunklen Prinzen! Leider war da das Spiel schon vorbei. Im zweiten Teil können wir nun endlich unsere Blutsaugerseite ausleben.

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(Grauslig – aber auch Vampire wollen nach Hause telefonieren.)

Moderne

Lords of Shadow 2 ist nicht das erste Spiel der Reihe, welches die Moderne feiert. Schon Aria of Sorrow spielt während der Sonnenfinsternis im Jahre 2035. Aber das soll uns nur am Rande stören. Überdies lassen uns die ersten paar Szenen von LoS2 erstmal eine böse Überraschung erleben. Statt in einem Pariser Café scheint Dracula nun doch in seinem mittelalterlichen Gruselschloss zu hocken. Stilvoll sein Weinglas zu Boden schmetternd und sich von seinem Thron erhebend, empfängt er ein paar lachhafte Ritter, die schnell seiner Blutpeitsche erliegen. Das erinnert uns doch an was: what is a man? A miserable little pile of secrets! Tatsächlich wird der kultige Dialog aus Symphony of the Night in einem anschliessenden Kampf gegen einen goldenen Seraphimsritter nochmals wortgetreu abgespult. Wenn auch die Worte in neuem Gewand nur noch deplatzierter und himmelschreiend trashig klingen, so erwecken sie doch die Hoffnung, dass die Entwickler von Mercury Systems auch mit dem Rest des Spiels so serientreu umgegangen sind. Im Grunde hat man es jedoch immer noch mit Lords of Shadow zu tun und somit allem, was der Vorgänger einführte: God of War-Kampfsystem, Kletterpartien à la Assassin’s Creed, Devil May Cry-Anleihen. Nur die Kolosse hat man jetzt weitgehend weggelassen. Aber im ersten Teil sah man doch moderne Strassenzüge; wo sind die hin? Keine Bange: Die kommen schon, denn der Anfang war bloss Rückblende. In der nächsten Szene wandelt Dracula in mönchischer Aufmachung durch New Yorks (oder Londons?) Gassen. Allerdings hat er nach tausend Jahren Schlaf alle seine Kräfte verloren und wird beinahe von einem Dämon gefrühstückt. Zum Glück eilt Zobek zur Hilfe. Der hat die legendäre Vampirjägerpeitsche Vampire Killer, mit deren Hilfe Gabriel zur ewigen Ruhe fände. Natürlich muss er im Gegenzug Satans Horden aufmischen. Nebenbei verschlägt es Gabriel immer mal wieder zurück in sein Mittelalterschloss, wo er auf seine vermeintlich verstorbene Frau und seinen Sohn Trevor trifft, die eben auftauchen und verschwinden, wie es ihnen passt. Hinzu kommen dunkle Kräfte, die ihn im Schloss gefangenhalten wollen und seine Dämonendiener gegen ihn wenden. Das „erklärt“ auch, weshalb der Fürst sich plötzlich wieder mit den Gorgonen, Carmilla und co. herumschlagen muss. Na ja. Leider merkt man ziemlich schnell, dass man sich nicht viele Gedanken um die Story gemacht hat und nur mal eben ein paar Strohmänner hinstellen wollte. Schade. Immerhin unterhält Carmillas Auftritt als grossbusige Vamp, die uns jeden Gedanken an die Buchvorlage aus dem Hirn pustet, und auch der Puppenmacher weiss zu gefallen. Im starken Kontrast zu dieser Welt der Gothic Novels steht die Gegenwartsebene, in der Dracula gegen futuristische Wachmänner, Teufelsbrut und Riesenroboter kämpft. Riesenroboter! Ist das zu glauben? Einerseits ist es schön, Castlevania mal auf Abwegen zu sehen. Andererseits, wenn wir ehrlich sind, zu diesem Preis … dabei böte das Setting tolle Möglichkeiten. Alles brennt, Leute rennen durch die nächtlichen Strassen, der Mond ergiesst sein milchiges Licht über Leuchtreklamen. Und da sind die gotischen Stadtbauten. Ja, die Gegenwart von LoS2 wirkt wie ein obskurer Scherenschnitt aus Vergangenheit und Moderne. Was die Entwickler hier verbrochen haben, käme wohl einem grünschnabeligen Kunststudenten, nicht aber einem Architekten in den Sinn. Man stelle sich das Zürcher Niederdörfli vor, verpflanzt in ein Industriegebiet, umgeben von der chinesischen Mauer und überschattet von der Fassade eines Dubai-Hochhauses. Da ist einem das Schloss schon lieber; wenigstens passen da die Wasserspeier, die Endlostreppen und Türme rein bzw. drauf. Beide Ebenen sind mehrfach miteinander verbunden, nach und nach erschliesst sich ein Zusammenhang zwischen den Stadt- und Burggebieten. Hier versuchte man wohl, eine an Darksiders erinnernde offene Welt zu kreieren, oder noch besser: im Metroidvania-Stil. Wiederum sind die Anreize zur Erkundung sehr gering, denn versteckte Gebiete sind wie schon im Vorgänger auf langweilige Räume beschränkt, in denen Items zur Erhöhung der Mana- oder Energieleiste dienen.

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(Wo führt das nur hin?)

Blutig

Beim Kampfsystem wurde nicht viel geschraubt. Wiederum hat Gabriel zwei Arten von Magie, die mit dem Schultertasten aktiviert werden. Das „Leere Schwert“ ist relativ schwach und gibt bei jedem Schlag verlorene Lebenspunkte zurück, die Chaosmacht hat grössere Durchschlagskraft und durchdringt gegnerische Rüstungen und Panzer. Die Fokusleiste füllt nur, wer selbst viel austeilt und nicht getroffen wird. Ist sie voll, lassen die Gegner rote Orbs fallen, die man entweder in die eine oder andere Magie umwandelt. Komplizierter sind die Zusatzfunktionen: mit dem Schwert lassen sich Eisgeschosse abfeuern, die Chaosmacht verhilft zu Feuerbomben. Zusätzlich kommen die Vampirfähigkeiten hinzu: Nebelgestalt, Fledermausschwarm, Besitzergreifen und Verwandlung in eine Ratte. Bei all den Fähigkeiten verliert man zu Beginn leicht den Überblick. Dass die Eis- und Feuergeschosse per umständlicher Tastenkombination ausgelöst werden müssen, ist nicht besonders intuitiv und verschafft einem ungeübten Spieler bei den Bosskämpfen schnell Frustmomente. Zum Ärger von Hack’n’Slay-Fans ist man ausserdem auf die Idee verfallen, Schleichpassagen ins Spiel einzubauen. Diese gehören zu den nervigsten Momenten im Spiel, stören den Spielfluss und wirken wie das eine oder andere Stadtgebäude ärmlich deplatziert. (Besonders verteufelt: das Versteckspiel mit Pans Bruder.) Die Dämonensprache der Wächter hätte man auch weglassen können, ebenso wie die unnötigen Rätseleinlagen. Ein Lob geht hingegen an die Kamera: die Entwickler haben aus dem Vorgänger gelernt und sie ist endlich frei drehbar (übrigens auch während der Quicktime-Events). Gabriels Vampirstatus bringt ein paar zusätzliche nette Gimmicks mit sich; in den Finishing-Moves trinkt er das Blut seiner Feinde, er reisst Statuen das Herz aus (Ja, das geht) und bringt Blutopfer dar, um Schalter zu aktivieren. Man merkt: Setzte der Vorgänger auf ein romantisches, teilweise kitschiges Märchensetting, bringt es LoS2 auf die harte Tour. Klar, denn eine Unmenge an Blut darf in einem Vampirspiel nicht fehlen. Das hätte die Musik gut unterstreichen können, leider bleibt sie diesmal unauffällig im Hintergrund, ein Stück wie beim Abspann von LoS gibt’s nicht. Entschädigt wird man immerhin durch die fratzenhaften Gegner, Prädikat: besonders monstermässig (ausser die Roboter). So gut (resp. schlecht) sie aussehen, man sollte sie nicht jedes Mal neu ins Nirvana schicken müssen, wenn man ein Gebiet verlässt und wieder betritt. Highlight des Spiels ist sicherlich der schon erwähnte Puppenmacher, der mit seinem Design aus der Masse der Bosse klar heraussticht. SoTN-Fans erfreuen sich an der nötigen Dosis Alucard. (Wer Victor Belmont ist, weiss ich nicht). Zuletzt haben sich ein paar Bugs ins Spiel geschlichen: Manchmal läuft die Kampfmusik nach dem Scharmützel minutenlang weiter, und ein KI-Kumpel blieb an einem Hindernis hängen, sodass der letzte Checkpoint neu geladen werden musste.

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(Auch die obligatorischen Skelette dürfen nicht fehlen.)

Fazit

Was hat man im Vorfeld nicht alles von Lords of Shadow 2 erwartet: ein aufgepepptes Kampfsystem, weitläufige Gebiete, eine tolle Story und bloody Dracula-Time. Eingelöst davon wurde das Wenigste; oder zumindest nicht in der erwarteten Form. Trotzdem ist LoS2 ein gutes Spiel geworden, das sich durchaus mit dem Vorgänger messen kann. Der stetige Wechsel zwischen Schloss und Gegenwart sorgt für ein relativ inkonsistentes Spielerlebnis. LoS2 ist kantig, wirr, und nicht mehr so rund wie der erste Teil. Aber auch Draculas Zähne sind nicht rund, und ich meine: man spielt Dracula! Wenn das schon mal keinen Vampirfan begeistert?

Dieser Beitrag wurde von Yoshi geschrieben und am 31. März 2014 um 01:53 veröffentlicht. Er ist unter Reviews abgelegt und mit , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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