Von JÁNOS MOSER.
Innerhalb der Zelda-Genealogie nimmt The Legend of Zelda: Links Awakening, 1993 für den Ur-Game Boy erschienen, eine Sonderstellung ein. Nicht nur ist es das erste Spiel der Reihe, das ohne die namensgebende Prinzessin auskommt, zu oft wurde es auch vom Vorgänger A Link to the Past und Nachfolger Ocarina of Time überschattet. Dabei wird ihm Unrecht getan; denn bis heute zählt es zu den besten und umfangreichsten Game Boy-Spielen, die jemals erschienen sind. In der ursprünglichen Version noch in Graustufen, in der erweiterten DX-Version für den Game Boy Color in Farbe, bestreitet Link seine Abenteuer auf der Insel Cocolint und nimmt es mit bösen Geistern, grossen Bergen und dem Windfisch auf. Wer sich nun fragt, wo das Königreich Hyrule geblieben ist: Das Entwicklerteam rund um Miyamoto hat sich für das vierte Zelda so einige Neuerungen einfallen lassen – und von der einen oder anderen dürften sich selbst die neuen Titel ruhig eine Scheibe abschneiden.
Link als Robinson
Link kämpft auf hoher See mit einem tobenden Sturm, als sein Schiff von einem Blitz getroffen wird. Der Held geht über Bord, die Wellen spülen ihn an einen unbekannten Strand im Nirgendwo. Bislang vermittelt die kurze Introsequenz den Eindruck einer Robinsonade – wäre da nicht das Mädchen, das unseren Elfenjungen in Grau findet und wachzurütteln versucht. Wie wir nach dem Bestaunen des Titelbildschirms und der Namensgebung unseres Recken erfahren, heisst die Gute Marin und hat ihn bei sich zu Hause aufgepäppelt. Cocolint wird die Insel genannt, auf der Link gelandet ist, und sie ist bewohnt – nicht nur von friedlichen Dörflern, sondern zeldatypisch auch von allerlei Monstern. Also alles wie in Hyrule, oder? Zumindest fast: An eines Königs Stelle herrscht ein geheimnisvolles, schlafendes Wesen namens Windfisch über dem Eiland. Die einzige Möglichkeit, von der Insel wegzukommen, ist, den Windfisch zu wecken und auf seinem Rücken davonzufliegen. Dazu braucht Link acht Instrumente in acht Dungeons zu finden. Ein Schwert, um sich der Gegnerhorden zu erwehren, wäre auch nicht schlecht. Also auf zum Strand. Dass wir es trotz unüblichem Setting und Abwesenheit der Prinzessin mit einem Zelda-Spiel zu tun haben, erkennen wir spätestens, als wir triumphal die gefundene Waffe in die Höhe strecken und die altbekannte Oberweltmelodie erklingt. Die leichte Variation in der Melodie scheint schon anzudeuten, was den Spieler erwartet: Klassisches Zelda-Gameplay mit einem speziellen Dreh. Beispiele gefällig? Erstmals in der bisherigen Geschichte der Reihe ist es Link möglich, mithilfe einer Feder über Löcher zu springen. Wenn man möchte, kann man den Fifi einer betagten Dame spazieren führen, der lästige Gegner verschluckt (und Marios Kettenhund nachempfunden ist). Dem kurzweiligen Charakter einer Gameboy-Spielsession angepasst, findet man in jedem Dungeon nicht nur den Obermotz, sondern auch einen Zwischengegner. Nach dem Sieg über diese (teils sprechenden!) Gegner erscheint ein Teleporter, der eine Verbindung zwischen der ungefähren Mitte des Verlieses und dessen Anfang markiert; wenn man also das Spiel mal kurz unterbricht, ist man nicht gezwungen, die ganzen Rätsel noch einmal zu lösen. Kinderkram? Mitnichten. Der Schwierigkeitsgrad von Link’s Awakening ist gut ausbalanciert und fordert auch Zelda-Veteranen heraus. Wie bereits angedeutet, ist der Umfang des Spiels ebenfalls nicht ohne und man staunt, wie es die Entwickler schafften, ganz Cocolint auf die kleine graue Cartridge zu packen. In der Farbversion wurde den Spielern zudem ein zusätzliches Dungeon spendiert, in welchem eine verbesserte Rüstung wartet.
Ein beliebtes Novum für die Reihe stellt neben einer ratgebenden Eule (Navis Vorgänger) ein so unterhaltsamer wie cleverer Tauschhandel dar, der für spätere Zelda-Spiele übernommen wurde (u.a. Oracle of Seasons und Oracle of Ages). Überall auf der Insel verteilt finden sich NPCs, die bestimmte Gegenstände suchen und im Tausch dafür einen anderen Gegenstand anbieten. Mit diesem Gegenstand wiederum wird ein weiterer NPC beglückt, welcher Link abermals etwas Neues anbietet usw. Ein logisch nicht immer ersichtlicher, dafür ökonomisch ergiebiger Prozess, denn am Ende der Tauschkette erhält Link eine magische Lupe. Bis es so weit ist, tauscht man z.B. einen Liebesbrief gegen einen Besen, den Besen gegen einen Angelhaken oder den Angelhaken gegen das Bikini-Oberteil einer Nixe (welches in der US-Version zwecks Zensur durch eine Perlenkette ersetzt wurde). Wer die verschiedenen Versionen des Spiels vergleicht, kommt zum Schluss, dass Link’s Awakening seine Sonderstellung vor allem dem seltsamen, für Zelda untypischen Humor zu verdanken hat. Zwar fragt man sich, was sich die Entwickler dachten, als sie gewissen Gegnern Sätze in den Mund legten wie „Nie ohne Kondom“ oder „Gib mir deinen Saft, ich geb dir meinen …“, unterhaltend sind sie allemal. Was nicht heisst, dass Link’s Awakening nicht auch seine nachdenklichen Momente hat. So ist das Ende des Spiels erstaunlich melancholisch und darf mit Fug und Recht als eines der tollsten Spielenden gelten.
Fazit
Mögen dem einen oder anderen die teils deplatzierten Dialoge sauer aufstossen, die für Nintendo übliche Detailverliebtheit macht Link’s Awakening auch heute noch definitiv einen Blick wert; zumal der Ur-Gameboy mittlerweile Kultstatus erlangt hat. Viele Elemente, welche die Serie zu dem machten, was sie heute ist, nahmen hier ihren Anfang, und wer sich ein wenig mit Mario-Spielen auskennt, wird seine Freude an zahlreichen Easter Eggs haben (Yoshi-Puppe, ein Gemälde von Prinzessin Peach, Gumbas …). Zwar mögen manche an Blasphemie denken, aber: in gewissen Belangen kann es Link’s Awakening durchaus mit Ocarina of Time aufnehmen – für Fans von 2D-Spielen sowieso.
Link’s Awakening war mein erstes Zelda. Und obwohl es mitnichten das erste Videospiel war, an dem großen Spaß hatte und mit dem ich viele Stunden verbringen konnte, so war es doch das erste Videospiel, dass mich so richtig gepackt hat, so richtig in seinen Bann zog – und mich damit erst zum wirklichen Videospielliebhaber machte. Einen nicht zu unterschätzenden Anteil daran hatte ironischerweise auch der exzellente, wunderbar abenteuerlich geschriebene Spieleberater.
Es lag an Link’s Awakening (damals im Rahmen der Nintendo Classics), dass ich auch Ocarina of Time unbedingt haben musste, und dafür erstmal ein Nintendo 64. Meine Erwartungen waren riesig und tatsächlich hatte mich Ocarina of Time im direkten Vergleich mit Link’s Awakening eher enttäuscht (es dauerte ein paar Jahre, bis ich auch OoT allmählich höher schätzte).
Und noch bis heute zähle ich Level 7 in Link’s Awakening zu den besten Zelda-Dungeons ever.