Von JÁNOS MOSER.
Anmerkung: Dieser Text erscheint zeitnah und mit geringfügigen Änderungen im Magazin delirium – Zeitschrift gegen Literatur.
Neulich im Multiversum: Die Umbra-Hexe Bayonetta läuft durch die von Homunkuli-Invasoren zerstörten Strassen von Paris. Zuvor hat sie auf der Suche nach einem wertvollen Artefakt einen Kampf gegen ihre eigene Mutter bestanden, die sich in eine gigantische, mit Maschinengewehren und Laserkanonen besetzte Turmuhr verwandelt hat. Jetzt stellt sich der mit Pistolen-Stilettos und Feuer-Jo-Jos bewaffneten Hexe plötzlich eine Armee von besessenen Soldaten entgegen, die den Tanz aus Michael Jacksons «Thriller»-Musikvideo nachahmen, doch dank des Godzilla-Dämons, den sie aus ihren Haaren beschwört, macht sie mit ihnen kurzen Prozess und springt unbeschadet weiter. Einen Moment später trifft sie aber auch schon ihr mit einem blinkenden LED-Hut ausgestattetes Alternatives-Universums-Ich, das einen geflügelten Dämon kontrolliert, der sich selbst in zwei Teile aufspalten kann. Nach einer weiteren Tanzeinlage folgt ein Show-Down gegen das Monster mithilfe einer aus einer riesigen Kröte entstiegenen Opern-Diva, die eine «Fifth Element»-Hommage zum Besten gibt. Das war ein Versuch, die Welt von Bayonetta 3 (2022) zu beschreiben, des vor kurzem erschienenen dritten Teils der Spielereihe rund um die titelgebende Hexe, die sich irgendwo zwischen Zeiten, Dimensionen, Trash, Kunst, Popkultur-Zitaten und Videospielgenres bewegt. Wenn ich so darüber nachdenke, klingt das alles wie ein einziger Fiebertraum. Da frage ich mich: Was fängt eigentlich die Literatur damit an?

Und das ist erst der Anfang (Bayonetta 3)
Eine Frage der Haltung
Wenn ich an Hexen in der Literatur denke, denke ich an ein paar prominente Beispiele aus der romantischen Epoche, die ich hier nicht aufrollen will. Weil: Masterarbeit. Aber auch an das Jahr 2016: Damals erschien in der Zürcher Literaturzeitschrift delirium ein Essay mit dem Titel «Die Hexe des Realismus», worin ich die Figur zu einer Art Kampfbegriff stilisierte: ich behauptete den Gegensatz zwischen einer von tiefem Misstrauen gegenüber aller Fantastik geprägten bürgerlich-realistischen Hochliteratur und der sogenannten Genreliteratur, sprich Horror, Fantasy und Science Fiction. Die Hochliteratur müsse, so die These, einen offeneren Zugang gegenüber dieser in Literaturhäusern und -stiftungen marginalisierten «niedrigen» Literatur finden, um sich zu entwickeln, wobei der vermeintliche Hinderungsgrund das Klischee sei: Die Angst davor, sich zu wiederholen, obwohl die Wiederholung schon immer ein integraler Bestandteil der Fantastik und ihres Personals war – eben auch der Hexe, deren Merkmale aus den Wiederholungen in der Literatur hervorgegangen sind. Also: Bringt sie doch mal zurück in die Sumpfhütte, statt sie zu pathologisieren, oder, noch schlimmer, zum blossen Symbol gesellschaftlicher Zwänge herabzuwürdigen (zumal Letzteres an sich schon wieder ein Klischee ist). Zwar habe sich, so meinte ich, die realistisch-klassische bürgerliche Literatur immer mal wieder mit der Fantastik auseinandergesetzt, doch geschah das immer mit misstrauischer Distanz und dieser Angst vor dem Klischee im Hinterkopf, die bestenfalls zu einer ironischen Haltung gegenüber ihrem Stoff führt. Und wohl ist es noch heute so: Das Thema einer Marslandung muss mit kompliziertem Sprachballast überdeckt, eine Tierverwandlung metaphorisiert, ein Fabelwesen vorsichtig erklärt werden. Dass fantastische Elemente in der Schweizer Literaturlandschaft der letzten fünf Jahre eine gewisse Konjunktur erleben, mag die Gegenüberstellung Hochliteratur – Fantastik heute etwas bemüht erscheinen lassen, doch an der Haltung auch dieser Literatur hat sich meines Erachtens nur wenig geändert. Sie ist nicht nur eine ironische, sie ist auch eine zerstörerische: Wozu die Metaphorisierung führt, ist nicht etwa eine Aufwertung, sondern eher eine Entfremdung der Literatur von der Hexe, vom Fantastischen.
Ultraromantik und Transgression
Unabhängig vom Erscheinen des Essays setzte sich in Berlin etwa zur gleichen Zeit eine Gruppe von jungen Literaten in Szene, die «Rich Kids of Literature», mit ihrem Manifest der «Ultraromantik». Darin ging der Autor Leonhard Hieronymi gegen das «inoffizielle Ekstaseverbot» in der Literatur vor und forderte mehr «Lebendigkeit, Action, Poesie, Fun und Wagnisse». Auf romantische Poetik wurde hier freilich nur sehr oberflächlich Bezug genommen, und ebensowenig schien das Problem der Ironie gelöst. Die Forderung der Zeitschrift, einer «Hyperironie» zu frönen, einer «Haltung, die zwei Dinge miteinander verbindet, die sich gegenseitig auszuschliessen scheinen», wodurch Freiräume jenseits von Ernst und Ironie entstünden, schien zwar irgendwie sympathisch, blieb aber leider auch ziemlich vage. Doch was ist genau das Problem an der Ironie? Dass sie zersetzt, ohne aufzubauen – doch was soll aufgebaut werden? – Folgen wir den Spuren der Hexe, vielleicht führt sie uns am Ende zu einer Lösung. Seit sie Eingang in die Literatur gefunden hat, zeichnet sie sich vor allem durch eine Transgressionsfunktion aus, die darauf beruht, einerseits Ontologien des Magischen und Realistischen (wie in E.T.A. Hoffmanns «Goldnem Topf») oder gesellschaftliche Zwänge (wie bei Fontanes «Sidonie»-Fragment) zu überschreiten – aber auch die Grenzen zwischen Mythologie und Geschichte: Schon der französische Historiker Jules Michelet machte sie in seiner poetischen Geschichtsschreibung zu einer Art überhistorischen Figur, die ein einziges Werden in vielen Zeitaltern durchlebt und mal als arme Bäuerin, Priesterin oder Adelige in Erscheinung tritt. Bei H. R. Haggard wird sie zur unsterblichen antiken Zauberin, die die Zeit überdauert, Lovecraft lässt sie in seiner Erzählung «Dreams in the witch house» gar die Grenze zwischen Dimensionen überschreiten.
Ironie als Antizipation
In der Schweizer Literatur anno 2022 ist von diesen Transgressionen aber nicht viel zu spüren. Im Gegenteil, sie scheinen, mit Ausnahme des Themas der gesellschaftlichen Transgression bzw. des sozialen Tabubruchs keine Rolle zu spielen oder gar nie existiert zu haben. Das ist einerseits mehr als verständlich: Die Schweiz hat die europaweit unrühmlichste Hexenverfolgungsgeschichte überhaupt. Andererseits scheint diese ja gerade auch nicht vor der Literatur Halt zu machen: Wo bleibt die unheimliche, die gefährliche, die magisch begabte Hexe? Sie wurde aus den Büchern heraussymbolisiert und musste seit jeher dem Realismus weichen, in dem sie mitunter bloss ein Fall fürs Irrenhaus ist. Die Ironie ist hierbei der letzte Sargnagel, der sie ins Reich der Märchen und Sagen verbannt. Die Realisten atmen auf: Potente Hexen sind in den letzten Jahren, wenn überhaupt, nur noch auf der Kinoleinwand zu sehen gewesen. Zuletzt beispielsweise im Horrorfilm «The Witch» (2015) von Robert Eggers. Im Film, der wie manch andere Werke des Regisseurs seinen «Realismus» so zu wenden weiss, dass er uns so fremd wie ein Monster wird, spielt Anya Taylor-Joy eine der Töchter einer im Hexenwahn gefangenen, tiefreligiösen Neuengländer Bauernfamilie. Als ihre kleine Schwester von einer Waldhexe fantasiert und Taylor-Joy gleichzeitig beschuldigt, dieser das Neugeborene der Familie überlassen zu haben, macht sie ihr plötzlich Angst, indem sie, statt die Anschuldigung abzuweisen, sich diese aneignet, indem sie ein paar bedrohliche Schritte auf die Kleine zugeht und behauptet, selbst die gefürchtete Hexe zu sein. Sie schubst ihre Schwester zu Boden und droht ihr, sie aufzufressen, worauf der Haussegen natürlich nur noch schiefer hängt. Diese Szene macht etwas Erstaunliches: Sie antizipiert den Schluss, der mit Taylor-Joys tatsächlichen Initiierung als Hexe durch den Teufel endet. Für die Zuschauer*innen ist das nun insofern ironisch, da sie zu diesem Zeitpunkt des Films vom Ende ja noch gar nichts ahnen und daher, im Gegensatz zum Kind, glauben, ihnen würden Lügen aufgetischt. Hat man jedoch das Ende des Films gesehen, begreift man, dass man an der Nase herumgeführt wurde und die «Ironie» die ganze Zeit darin lag, dass das Hexentum Taylor-Joys schon vorweggenommen wurde. Den Begriff setze ich hier in Anführungszeichen, da er uns nicht so erscheint, wie wir ihn bis jetzt kennengelernt haben (nämlich als Werkzeug zur Schaffung von Distanz). Im Gegenteil, hier wird gerade mit der Aneignung der Magie, des Hexentums gespielt, als Möglichkeit einer unheimlichen Potenzsteigerung, die den Film von einer Sozialstudie, die noch als puritanische Fieberfantasie durchgehen könnte, definitiv ins Reich des Magischen überführt. Diese Art von Ironie könnte also auch gleichbedeutend für Antizipation stehen. Sie schreibt sich ins Reich der Magie ein, sie ist eine Helferin, die uns, indem sie den Sprung vom Realismus in die Fantastik probehalber wagt, zunächst verunsichert. Doch der Sprung gelingt, und ehe wir uns versehen, tritt die Hexe in ihrer vollen Grösse wirklich aus dem Schatten.
Sprung in die Hyperfantastik
Die Gesellschaften, die Eggers in «The Witch», aber z.B. auch «The Northman» präsentiert, sind uns fremd, weil sie ebenso magisch wie historisch scheinen. Immer wieder glauben wir uns in der Sozialstudie einnisten zu können, bis wir plötzlich vor einer Zauberfalltür stehen. Wünschenswert wäre doch nicht nur ein Kino, sondern auch eine Literatur, die nicht auf den Unterschied zwischen Fantastik und Realismus pocht, sondern den erwähnten Sprung ohne Klischee-Angst (und damit ironischer Distanz) wagt. Die Ironie würde in ihr nur eine Zwischenphase darstellen, jenen Bereich, der paradigmatisch noch für die Fantastik des neunzehnten Jahrhunderts galt: Ontologien, Existenzen werden auf einmal unklar; doch der Leser wüsste: Was im ersten Moment ironisch scheint, kann nur die Antizipation des Fantastischen sein, quasi eine Heranführung an die Welt, in der die Hexe regiert. Dieses Verständnis von Ironie gelingt nur, wenn wir unsere Haltung überdenken: Wollen wir wirklich stets mit einem schüchtern zwinkernden «Ist ja nur so dahingesagt» auf die Frage antworten, warum wir uns für das Fantastische entschieden haben? Oder doch nicht lieber mit «Da habt ihrs»? Oder meinen wir am Ende gar nichts und verschwinden hinter dem Gesagten, das wieder und wieder gesagt wird? Die Ironie, das Etwas-Anderes-Meinen, soll nicht länger als Sprachballast, Metapher oder Allegorie in unsere Welt deuten, sondern in die Fantastik. Wenn der Realismus «Hexe» sagt, meint er eine harmlose alte Frau; sagt die Fantastik «harmlose alte Frau», meint sie eine gefährliche Hexe. Wenn alles, worauf diese Art der Ironie weist, fantastisch ist, verstärkt sich die Fantastik durch die Ironie selbst, wird zur Hyperfantastik. Die moderne Hexe, die sich in ihr bewegt, wird zur Über-Figur, schafft alle Sprünge spielend leicht, über Zeiten, Seinsweisen, Geschichten, Medien hinweg, weil sie keine künstliche Distanzen mehr kennt. Apropos: Ist das Videogame Bayonetta 3 ein Beispiel für Hyperfantastik?

Real Talk
Kein Lebensraum
Man mag es glauben oder nicht: Die Bayonetta-Spielereihe besitzt eine Art Lore, also eine Hintergrunderzählung, vor der sich die Handlung der drei Games abspielt. Die Welt der Spiele ist unterteilt in drei Bereiche: Paradiso, Inferno und die Menschenwelt. Zu allen Zeiten hielten die sogenannten Umbra-Hexen und die Lumen-Weisen die Welt im Gleichgewicht, während die Menschheit ahnungslos zwischen Himmel und Hölle dahinlebte. Um ihre Geschäfte abzuwickeln, reisen die Hexen und Weisen durch Purgatorio, eine Durchgangssphäre zwischen Paradiso und Inferno, in der sie sich zwar auf der Erde befinden, doch unbehelligt von den Menschen existieren können – diese sind in ihr lediglich als seltsame Schemen, Geister wahrzunehmen. Die Hexe Bayonetta wäre nun aber keine Hexe, wenn sie nicht die Fähigkeit besässe, zwischen allen Reichen und Existenzsphären flugs hin- und herzureisen. So findet das Gekloppe gegen Dämonen und Engel zwar in einer für Menschen unzugänglichen Dimension statt, doch wenn das Bedürfnis oder die Notwendigkeit besteht, sich bemerkbar zu machen (etwa, um einen trotteligen Journalisten zu retten), überschreitet Bayonetta die Grenze zur Menschenwelt. Interessant scheint nun, dass der Spieler durch die Augen der Hexe auf die «Realität» blickt – die eben nur noch insofern eine ist, als wir in ihr bekannte Namen und Orte wiederzufinden vermeinen, die aber mit der Welt an sich nicht mehr viel gemein haben. Ein Paris oder New York ist in den Bayonetta-Games ein dahingeklatschter Arc de Triomphe bzw. eine Freiheitsstatue inmitten von irgendwelchen Strassen, in denen man sich alles, nur kein normales Leben vorstellen kann. Besonders irrig wird die Sache dann, wenn Orte wie die fiktive zentraleuropäische Stadt «Vigrid» ins Spiel kommen, in der nichts nach Zentraleuropa und schon gar nichts nach einer Stadt aussieht. Realitäten, die keine sind – ein Phänomen, das Videospiele schon seit jeher auszeichnet, doch Bayonetta besonders, weil sich die Existenzbereiche doch unterscheiden sollten, es jedoch nicht tun. Für die Hexe gilt das eine für das andere, ist Himmel ist Hölle ist Zwischen- und Menschenwelt. Verstehen wir das hyperfantastische Werk als diegetische Echokammer, wäre dieses Kriterium schon mal erfüllt. Doch was ist mit der Hexe selbst?
Kontroversen und Zeitreisen
Seit dem Erscheinen des ersten Teils (2009) löste die Figur Bayonetta immer wieder Kontroversen aus, unter anderem wegen einer Werbekampagne in der U-Bahn Tokios, die die Passanten dazu anhielt, Visitenkarten von einem Plakat zu entfernen, auf dem die Hexe nackt posierte. Auch Teil 3 scheint auf der Oberfläche nicht viel mehr zu sein als eine Teenie-Sexfantasie: Hüllen fallen schneller und öfter als man zählen kann, und one-liners wie «You know, I rather enjoy teaching obedience» sind an der Tagesordnung. Was die originale God of War-Videospieltrilogie in Sachen comichafter Gewaltdarstellung leistet, exerziert hier Bayonetta in Sachen Sex durch. Natürlich sind die erwähnten Tanzeinlagen nur da, um etwas für das Auge zu bieten. Ob das ok ist, ist für einmal keine Frage der Haltung, denn es ist nicht so wirklich ok. Indes liesse sich fragen, inwieweit die Reproduzierung von Sex-Klischees nicht auch das tradierte Hexenbild als Männerfantasie überzeichnet: Die Hexe gilt als «Buhlerin», sie ist im Bunde mit dem Teufel, verdorben usw. Die Sumpfhütte ist in Bayonetta ein hipper Club: So werden die Zusatzherausforderungen, die man nach Beenden des Spiels absolvieren kann (noch mehr Gegner kaputtschlagen) «Witch Trials» genannt, und eine Nebenfigur des dritten Teils, ebenfalls eine Hexe, trägt ein Punk-Shirt mit der Aufschrift «Stake!». Hinzu kommen die Zitate aus der Popkultur wie die «Thriller»-tanzenden Soldaten. Das ist natürlich alles nicht ernst zu nehmen. An anderen Stellen scheint das Spiel aber wiederum nicht bewusst ironisch konzipiert. So etwa in der Erzähllogik, hinter die die Figuren, nicht aber der Spieler blickt. Sie scheinen ihm immer auf seltsame Weise einen Schritt voraus; beispielsweise erklärt Bayonetta, kurz nachdem sie ein Zeitportal durchschritten hat, selbstbewusst: «I know where this is. I know when this is.» Hä? Wo, und wann? – So sitzt man vor dem Bildschirm und kratzt sich am Kopf. Die Erzählsprünge und Holprigkeiten könnte man als Trash honorieren – oder aber als Nebeneffekt des hyperfantastischen Erzählens verstehen. Analog zur «Ironie», die eigentlich nur fantastische Antizipation ist, gilt in dieser Logik, dass das Gesagte nur auf den ersten Blick fehl am Platz scheint. Es überfordert, ist ein Noch-Nicht, das scheinbar verpufft, nur um dann umso effizienter zuzuschlagen. Bezeichnenderweise ist Bayonettas hilfreichste Fähigkeit im Kampf – neben der Beschwörung gigantischer Höllendämonen – die sogenannte «Hexenzeit»: Wann immer man einer gegnerischen Attacke im letzten Moment ausweicht, wird die Zeit für die Gegner verlangsamt, und man kann nach Herzenslust auf sie einprügeln. Ebenso ausgeliefert und ins Leere greifend muss sich zunächst der Rezipient eines hyperfantastischen Werks vorkommen – doch spätestens durch die wiederholte Rezeption entfalten sich die Fantasien zu dem, was sie sind. Eben alles Mögliche: Multiversen, blinkende LED-Hüte oder das Zerquetschtwerden unter den High-Heels einer zwanzig Meter grossen Dämonenfrau.

Ironie wo?
Fantasien auf dem Vormarsch
Darüber, was die Spiele an Absurditäten sonst noch alles bereithalten, liesse sich noch lange reden, angefangen beim Gameplay-Genremix. Doch lässt sich die Frage, ob wir es hier mit Hyperfantastik zu tun haben, wohl mit «zum Teil» beantworten. Dass in Bayonetta die Hexen real, die Menschen hingegen durchsichtige Schemen sind, wir also durch die Augen der Hexe auf das Geschehen blicken und die vermeintlich «echte» Welt sich dadurch völlig verfremdet anfühlt, spricht meines Erachtens dafür. Einen ähnlichen Effekt erzielen Spiele wie Devil May Cry, Super Mario Odyssey oder (das unrühmliche) Sonic the Hedgehog von 2006. Unpassend scheinen da bloss die Überdrehtheit und die Zitate und Referenzen auf Popkultur, weil diese für gewöhnlich dazu dienen, die Gemachtheit eines Werks herauszustellen, wohingegen die Hyperfantastik nur auf sich selbst verwiese (bzw. auf die Antizipation). Dafür könnte die Erzähllogik, die Absurditäten selbstbewusst hinnimmt und Zeitreisen, Fahrrad fahrende Plüschkatzen, Haar-Beschwörungen so lange wiederholt behauptet, bis sie ein aus unterschiedlichen Fantasien zusammengesetztes Gesamtbild ergeben, diesem neuen Erzählen Vorschub leisten. Die (Hoch-)Literatur hinkt all dem nun wohl noch etwas hinterher. Aber auf alle Fälle ist sie in den letzten Jahren mehr und mehr in Richtung Fantastik gerückt. Wir lesen von Tierverwandlungen oder Geistergeschichten. Da ginge aber noch weitaus mehr, sie ist noch nicht da angekommen, wo sie sein könnte. Langsam wäre es doch an der Zeit, das distanzierte Erzählen hinter sich zu lassen und vorwärts zu preschen. Da mögen dann auch mal Ungereimtheiten und Ausrutscher entstehen, aber alles ist besser, als in der ewig gleichen Haltung zu verharren. Nun, wer weiss, was alles noch passieren wird; ich hoffe jedenfalls auf Hexenzeit.
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