Von JÁNOS MOSER.
Eine apokalyptische, viktorianisch angehauchte SF-Welt, interessante magische Kräfte und taktische Vorgehensweisen – Dishonored war 2012 ein PS3-Überraschungshit. Vier Jahre später ist die Fortsetzung erschienen. Neben Blockbustern wie FFXV ist das Spiel aber offenbar ein wenig untergegangen, denn mittlerweile ist es für einen Bruchteil des Preises erhältlich und nur noch wenig trennt es von der Grabbelkiste. Bevor es so weit ist, sicherte ich mir – besser spät als nie – ein Exemplar. Kann Dishonored 2 mit dem Vorgänger mithalten?
Wieder eine Verschwörung
Was die Geschichte angeht, unterscheidet sich das Game nur geringfügig vom ersten Teil. Emily Kaldwin, ihres Zeichens Thronerbin des Kaiserreichs der Inseln, wird durch eine Intrige ihrer Tante Delilah von ihrem Platz gestossen und für eine Reihe von Morden verantwortlich gemacht, die ein sogenannter Kronmeuchler ausgeführt haben soll. Ziel des Spiels ist es, die mörderische Verschwörung aufzudecken und sich den Thron zurückzuholen. Der Spieler kann zu Beginn entscheiden, ob er mit Emily selbst oder Corvo Attaro, ihrem Vater und Leibwächter, auf Verräterjagd gehen will. Wer die Geschichte kennt, weiss: Corvo war der Protagonist des ersten Teils und derjenige, der Emily mithilfe einer Gruppe von Kaisertreuen zum Aufstieg verholfen hat. Die meisten, die vorgängig schon durch das von Ratten verseuchte Dunwall geschlichen sind, werden sich also vermutlich für Emily entscheiden. Doch da folgt schon die erste kleine Enttäuschung: abgesehen von leicht anderen Kräften besteht zwischen den beiden Kampagnen praktisch kein Unterschied. Egal, mit wem man das Spiel beginnt, folgt die Flucht aus dem Dunwall Tower und die Rettung durch die Kapitänin Megan Foster. Von deren Schiff aus, der Dreadful Whale, bricht man per Boot zu denselben Missionen auf. Diese bestehen darin, jeweils eine mit der Verschwörung in Verbindung stehende Person auszuschalten.
Grössere Gebiete
Spielte Teil eins vorwiegend innerhalb der Mauern Dunwalls, steht einem in Dishonored 2 das gesamte Kaiserreich offen. Zumindest theoretisch. Einen Grossteil des Spiels verbringt man auf Serkonos, der südlichsten Insel des Reiches und die Heimat Corvos, die ein mediterranes Flair versprüht. Ein Wechsel der Tapeten ist auch in Sachen Gegner angesagt. Die Zeit der Seuche ist zwar vorbei, noch wollen einem jedoch genügend Gestalten zusetzen. Neben den üblichen Wachen bekommt man es mit verschiedenen Fraktionen, übernatürlichen Hunden und sogar mit Hexen zu tun. Die Missionsgebiete sind diesmal viel grösser und bieten viel mehr Erkundungsmöglichkeiten. Wünschenswert wäre dieselbe Abwechslung auch beim Missionsdesign gewesen. Aber ob man nun einen südländischen Diktator oder eine verrücktgewordene Ärztin in die Mangel nehmen muss, das Schema bleibt stets das gleiche: erst wird die nähere Umgebung erkundet, dann gelangt man (mit fremder Hilfe) zum Hauptsitz des Bösewichts (Villa, Spital, Anwesen …), wo man ein Blutbad anrichtet oder sich an den Wachen vorbeischleicht. Wie üblich hat man dann die Wahl, das Hauptziel entweder ins Nirwana zu schicken oder durch eine nicht-tödlichen Variante Gnade walten zu lassen. Teil 1 hatte insgesamt definitiv eindrücklichere und abwechslungsreichere Missionen, man denke beispielsweise an den von E. A. Poe inspirierten Maskenball.
Chaosfaktor reloaded
Wie man das Spiel durchspielt, ist wie erwähnt dem eigenen Gutdünken überlassen. Entweder stürmt man mit brachialer Gewalt durch das Gebiet oder versucht zu schleichen oder gar unentdeckt zu bleiben. Letzteres stellt sich als schier unmöglich heraus. Was man auch immer tut, zum Abschluss der Mission werden die Vergehen auf die Waagschale gelegt und es wird abgerechnet. Will man das „gute“ Ende erreichen, gilt es, den sogenannten „Chaosfaktor“ möglichst niedrig zu halten. Wird man während der Schleicherei einmal entdeckt oder sorgt sonst für Unruhe, schiesst der Faktor schnell in die Höhe. Eine Matrix zeigt dabei an, wie brachial bzw. leise man vorgegangen ist. Wie in Teil 1 wird der Spieler leider nur wirklich belohnt, wenn er die sanfte Tour wählt. In einem ersten Durchlauf spielte ich wie Rambo, bekam nicht nur das schlechteste Ende, sondern musste mich durch einen so erschreckend düsteren letzten Level kämpfen, als sei Gottes strafende Hand darüber hinweggefegt (die Spielumgebung reagiert auf den Chaosfaktor). Darüber hinaus geht einfach zu viel Potenzial verloren, wenn man sich durchschiesst. Sind in einer Mission erst einmal alle Gegner erledigt, läuft man nur noch durch langweilige leere Gänge. Seine wahre Stärke zeigt Dishonored 2 eher bei den Schleichgängen, in denen man die Wachen ablenkt, Speerwände deaktiviert oder alternative Wege erkundet. Sprich nur, wenn man alle Möglichkeiten ausreizt, die einem geboten werden.
Magische Kräfte
Zur Seite stehen einem, ebenfalls wie im ersten Teil, nicht nur Pistole und Klinge, sondern auch magische Kräfte. Emily und Corvo haben wie gesagt ähnliche Fähigkeiten, die wichtigste dürfte für beide der Teleport bzw. Weitreichen sein. Um diese Kräfte auszubauen, sammelt man wie gehabt Runen, die aus einer seltsamen Astralwelt stammen, in welcher der „Outsider“ haust. Seine Rolle ist mysteriös, sein Gerede eher nebensächlich. Jedenfalls bietet das Magiesystem zu wenige Änderungen, um noch einmal in derselben Weise zu überzeugen wie im Vorgänger. Ein anderer Bereich, wo die Stagnation deutlich zu sehen ist, ist die Grafik. Seit der PS3 scheint sich nicht viel getan zu haben; selbst die Lippensynchronisation ist gleich ungenau geblieben. Insgesamt könnte das Spiel mit wenigen Abstrichen wohl auch auf einer PS3 problemlos laufen. Schade, denn die Atmosphäre des Games hat nach wie vor etwas für sich und hebt sich angenehm vom 08/15-Fantasysetting ab.
Mehr davon?
Um Dishonored 2 zu beschreiben, gibt es vor allem vier Worte: „more of the same“. Das dürfte niemanden abschrecken, der mit Teil 1 nicht vertraut ist – noch immer bekommt man ein Spiel mit einer einzigartigen Welt geboten, die Viktorianisches, Steampunk, Südstaatenflair und Apokalyptisches gekonnt postmodern zusammenmischt (wenn auch diesmal mit einem etwas unvermittelten Einstieg). Wer Corvo und co. bereits kennt, wird vom eintönigeren Missionsdesign und den wenigen Neuerungen wohl eher enttäuscht sein. Bei dem günstigen Preis, zu dem Dishonored 2 aber mittlerweile zu haben ist, könnte man es auch als sehr grosses, qualitativ gutes Add-On anschauen.