Von JANOS MOSER.
Die Kommunisten treten wieder auf den Plan – zumindest im Ego-Shooter Singularity aus dem Hause Raven Software. Das PS3-Spiel schickt euch als tapferer US-Soldat wegen eines Satellitenzwischenfalls auf die scheinbar verlassene Insel Katorga-12. Dort begrüssen euch nicht nur altbekannte Diktatorenstatuen, sondern auch ein ominöses Element namens E-99, das den Russen in den 1950ern unendliche Energie und Zeitverschiebungen ermöglichen sollte. Natürlich gingen ein paar Experimente schief und die Insel ist nunmehr von entstellten Monstern bevölkert. Man kennt das ja – ein bisschen Tschernobyl, ein bisschen Verschwörungstheorie. Das PS3-Spiel gilt manchen Kritikern als uninspiriert, langweilig und zäh. Aber ob das wirklich stimmt? Immerhin geht es um Kommunisten und Zeitreisen.
Ankunft
Eure Ankunft auf der Insel beginnt wie immer mit einem Absturz, diesmal aus einem Militärhelikopter. Das Setting sieht schon mal gar nicht so schlecht aus. Schmutzige Strassen, zerfallene Häuser, Leichen, die einmal zum stolzen Proletariat gehörten, und die riesige Feuersäule eines Reaktors im Hintergrund. Früher oder später werdet ihr in einem maroden Gang Zeuge eurer ersten unfreiwilligen Zeitreise. Scheinbar teleportiert euch das freigesetzte E-99 immer wieder kurzweilig in die 50er zurück. Leider werdet ihr da nicht von Evis Presley, sondern der Reaktorkatastrophe empfangen. Wie in jedem Spiel, das sich mit schiefen Forschungen auseinandersetzt, findet ihr ab und zu ganz und gar nicht auffällig herumliegende Tonbandaufzeichnungen, die das Geschehen von damals lebendig zu machen versuchen. Die Betonung liegt auf „versuchen“, denn das alles hat man tatsächlich schon in manchen Spielen von Bioshock bis zu Dead Space gesehen und juckt kaum mehr. Hinzu kommt das eher etwas platte Monsterdesign, das eher zum Gähnen denn zum Fürchten ist. Und: warum überhaupt Monster? Lassen uns Zeitreisen schleimige Arme und Eierköpfe wachsen? Egal. Nach einer Weile trefft ihr auf euren US-Army-Kumpel, der eure Hilfe gut gebrauchen kann. Bis dahin habt ihr auch einige Waffen gesammelt. Schrotflinte, Scharfschützengewehr und Pistole machen zugegeben Spass wie eh und je. Aber der eigentliche Clou kommt erst noch: nachdem euer Armykumpel dummerweise erschossen wird, geratet ihr an eine geheime Gruppierung (immer diesese Gruppierungen!), welche euch – aus welchen Gründen, wird vorerst nicht verraten – zu einer neuartigen Waffe verhelfen will. Mit dieser habt ihr die Kontrolle über die sogenannte Singularität und könnt effektiv mit der Zeit selbst herumspielen. Wahlweise lässt ihr Kisten, Treppen oder Schaltkästen verjüngen oder altern – sie zerfallen oder erneuern sich, und ihr erschliesst euch neue Wege. Auch auf die Gegner kann die Waffe angewendet werden; ein Schuss, und sie werden in sekundenschnelle zu staubigen Skeletten, oder ihr lässt sie ganz einfach davonfliegen. Das Konzept einer Spezialwaffe mag auch nicht ganz neu sein – man erinnere sich an die Gravity Gun aus Half-Life 2 – dennoch macht die Sache sehr Spass. Schade nur, lässt sich so wenig entdecken; zu gerne hätte man viele optionale Zeiträtsel gelöst und wäre so an z.B. Ausrüstung gekommen. Die Waffe ermöglicht es euch übrigens – logisch! – an bestimmten Stellen Zeitrisse zu öffnen und so zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin- und herzuwechseln. Das gipfelt in ein paar ganz netten Ideen; so z.B. rettet ihr in letzter Sekunde einen Professor, der eigentlich tot sein sollte, vor seinem Ableben und verhindert so gleichzeitig, dass sein Mörder rücksichtsloser Weltherrscher wird. Bedanken tut er sich bei euch in jenem altbekannten Hollywood-Russenakzent. Diese übertriebene, nennen wir es „Akzentuierung“, sorgt leider nicht eben gerade dafür, eine beklemmende Stimmung zu schaffen. Überhaupt, warum sollten Russen immerzu Englisch bzw. Deutsch sprechen, selbst untereinander? Ein weiteres Manko ist die Spielzeit. Leider dauert es nur etwa sechs bis acht Stunden, das Spiel durchzuspielen. Und: vorher sollte man auf keinen Fall Bioshock gezockt haben. Warum? Die Filmchen mit „Dr. E-99“ erinnern so stark an die EVE-Vorführungen, dass man das Ganze glatt ein Plagiat nennen könnte.
Fazit
Die erwähnten Mängel lassen Singularity allenfalls als ein unterdurchschnittliches Spiel erscheinen. Aber so schlimm ist es eben doch nicht, im Gegenteil. Man muss in der Spielelandschaft nicht weit herumgekommen sein, um zu bemerken, dass Singularity insgesamt ein solides Spiel ist. Es bietet viele Vorzüge, zusammengemischt aus den erfolgreichsten Shootern der letzen Jahre, und würzt diese mit einem annehmbaren Setting und einer tollen Atmosphäre. Ein paar Patzer, wie der etwas übertriebene Akzent der Synchronsprecher, lassen sich verschmerzen. Wer gerade keinen Hit zur Hand weiss und sich das Warten auf z.B. GTA5 verkürzen will, trifft mit diesem Spiel keine schlechte Wahl.
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