Von JANOS MOSER.
Häufig von Titeln wie Resident Evil überschattet, gilt die Alone in the Dark-Serie unter Kennern als der eigentliche Gründervater des Survival Horror-Genres. Bereits im 1992 für den PC erschienenen ersten Teil bewegte sich Edward Carnby, seines Zeichens Privatdetektiv für das Übernatürliche, als Polygonfigur durch vorgerenderte Hintergründe, die dank der besagten Technik einen Detailreichtum aufwiesen, wie man sie von in Echtzeit berechneten Landschaften zur damaligen Zeit kaum kannte. Wegweisend für das Genre waren auch die starren Kamerapositionen: erst, wenn man am Rand eines „Bildes“ angelangt ist, wechselt die Perspektive und ermöglicht so das Vorankommen im fluchbeladenen Anwesen. Da sich diese Art der Präsentation hervorragend für Zustände wie „Ich höre, dass etwas in diesem Raum ist, aber ich sehe es verflucht noch mal nicht!“ eignete, wurde das Prinzip für viele weitere Survival Horror-Spiele übernommen.
Ferientrip auf Shadow Island
So auch für Alone in the Dark: The New Nightmare, der vierte Teil der Reihe, der 2001 für PC, Playtation 1 & 2, Dreamcast und sogar den GBC erschien. In der Introsequenz erfahren wir vom spurlosen Verschwinden von Charles Fiske, Carnbys Freund und Gründer der FBI-Ermittlungseinheit „713“. Er wird auf Shadow Island, einer dunklen Insel vor der Küste Maines, tot aufgefunden. Carnbys Ermittlungen führen ihn zuerst zu einem gewissen Frederik Johnson, der erklärt, Fiske sei auf der Suche nach drei antiken Schrifttafeln der Abkani-Indianer gewesen. Johnson gibt Carnby nun den Auftrag, Fiskes Nachforschungen fortzuführen. Außerdem stellt er ihm die junge Universitätsdozentin Aline Cedrac zur Seite, welche sich auf alte Indianersprachen spezialisiert hat. Während des Landeanflugs auf Shadow Island kommt es schon zum ersten Unglück: das Flugzeug gerät in Turbulenzen und Carnby und Aline sind gezwungen, per Fallschirm über dem Eiland abzuspringen. Aline landet wie durch ein Wunder unversehrt auf dem Dach eines alten Herrenhauses, während sich Carnby auf einem verlassenen Hof wiederfindet.
Taschenlampen im Doppelpack
Der Spieler kann sich entscheiden, mit welchem Charakter er das Spiel bestreitet. Mit Carnby ist etwas mehr Action garantiert, Aline muss mehr Rätsel lösen. So oder so überschneiden sich die beiden Wege im Verlauf mehr als einmal, wer jedoch alles erfahren will, muss das Spiel quasi zweimal durchspielen – ein Kniff, den z.B. auch Resident Evil 2 integriert hat. Das Gameplay ist seinen Wurzeln treu geblieben: wie im ersten Teil der Reihe läuft man von Bild zu Bild, sammelt nützliche Gegenstände wie Schlüssel oder Medikits ein, erwehrt sich der übernatürlichen Monster mit Pistole oder Schrotgewehr und löst Rätsel. Obwohl man mit Edward Carnby eindeutig mehr Monster zu erledigen hat als mit Aline, steht der Rätselanteil des Spiels in jedem Fall eher im Vordergrund und man kommt nicht drum herum, die eine oder andere schwierige Knacknuss zu lösen, während man auf allerlei zwielichtige Personen trifft, die uns mehr vom Geheimnis der Insel vorenthalten, als dass sie Dinge enthüllen. Gerade das, was man nicht sieht, macht einem zu schaffen. Der Schrecken wird, ähnlich wie in einer guten Horrorgeschichte, vor allem durch die suggestive Wirkung von nebligen Andeutungen hervorgerufen und nicht immer nur durch Buh-Effekte – wobei die natürlich auch nicht fehlen. Vor allem im Kampf mit einem immer wieder auftauchenden zähen Brocken à la Nemesis sind Herzrasen und Schweissausbrüche garantiert. Um die maximale Wirkung zu erzielen, sollte das Spiel deshalb vorwiegend in einsamen Abendstunden in Angriff genommen werden.
Industrial und Gräber
Was die Technik angeht, so kann man nicht klagen: die Hintergründe sehen für die Verhältnisse 2001 wirklich fabelhaft aus, eine Taschenlampe sorgt für realistische Lichteffekte und auch die Musik weiss zu gefallen – gruselige Geräusche mischen sich mit Industrial-Sounds, die das Blut in den Adern gefrieren lassen. Mein absolutes Lieblingsambiente ist dasjenige auf dem Friedhof: man ist Sekunden zuvor vor einem Riesenmonster geflüchtet und steht nun verlassen und alleine zwischen den Gräbern. Die Ruhe ist trügerisch und wird von einer ominösen Musik untermalt, die Ihresgleichen sucht. Wirklich fabelhaft. Kritikpunkte hingegen sind die teilweise etwas zähen Rätsel und die üblichen Probleme, mit denen sich das Genre herumzuschlagen hat: steife und langsame Kämpfe, teilweise unglückliche Kameraeinstellungen und die Synchronisation der Stimmen war auch noch nicht auf der Höhe ihrer Zeit. Die allgemeine Resonanz zu Alone in the Dark: The New Nightmare ging mit diesen Schnitzern hart ins Gericht und verwehrte dem Spiel deshalb Spitzenwertungen. Dennoch ist es eines der ersten Spiele dieser Art, die ich erlebt habe und es nimmt für mich vielleicht auch gerade deshalb einen höheren Wert ein als andere. Vor allem, wer genug hat von den actiongeladenen Richtung, in welche die neusten RE-Teile driften, und sich endlich wieder mal etwas gruseln möchte, kann getrost zu Alone in the Dark: The New Nightmare greifen. Ein zu Unrecht oft übersehener Geheimtipp.
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