Freies Feld

Record of Lodoss War: Deedlit in Wonder Labyrinth

Von JÁNOS MOSER.

Der Preis für den wohl umständlichsten und seltsamsten Videospiel-Titel der letzten Jahre geht an Record of Lodoss War: Deedlit in Wonder Labyrinth (2020). Das für fast alle gängigen Gaming-Plattformen veröffentlichte Indie-Spiel braucht deshalb zuerst eine Paratext-Erklärung. Record of Lodoss War ist ein japanisches Franchise aus den Achtzigern, das als eine Art Fantasy-Klassiker oft mit Lord of the Rings verglichen wurde und vor dem Rollenspiel-Hintergrund von Dungeons & Dragons entstand. Darin kämpft eine Heldenriege, bestehend aus klassischen Pen & Paper-Stereotypen wie Krieger, Magier, Heiler und so weiter, gegen böse Mächte, welche die Insel Lodoss bedrohen. Die Fantasy-Saga, ursprünglich in Buchform erschienen, umfasst mittlerweile mehrere Manga-Adaptionen, Animes und Videospiele. Deedlit, in der deutschen Übersetzung auch Deedo genannt, ist die Begleiterin und Geliebte des Schwertkämpfers Parn; in dem titelgebenden «Wonder Labyrinth», in dem sie zu Beginn des Spiels unverhofft und ohne viel Vorgeschichte erwacht, setzt sie sich entsprechend zum Ziel, ihre bessere Hälfte zu finden. Der Vorteil dieser beliebig wirkenden Prämisse ist, dass man keine detaillierten Vorkenntnisse zum Lodoss-Universum braucht.

Eindeutiges Vorbild

Im schnelllebigen Videospiel-Markt sind Nachahmungen erfolgreicher Titel an der Tagesordnung. Selten hat ein Game aber seine eine und einzige Inspirationsquelle so deutlich vor sich hergetragen wie Deedlit in Wonder Labyrinth: Pate stand offensichtlich der Playstation-Klassiker Castlevania: Symphony of the Night (1997), das seinerseits wiederum einer der Urväter des «Metroidvania»-Genres darstellt. Kurzerklärung dazu: In Anlehnung an Nintendos Hit Metroid (1986) schuf Symphony of the Night-Schöpfer Koji Igarashi in den späten Neunzigern die bekannte Design-Formel, die mittlerweile unzählige Nachahmer gefunden hat: Die Spielfigur bewegt sich durch ein riesiges (2D-)Gebiet, das sie durch das Freischalten von neuen Fähigkeiten und Upgrades nach und nach immer weiter erkundet. Im Unterschied zu Metroid, das dieses Prinzip schon zehn Jahre früher erfand, ergänzte Igarashi die Formel noch durch leichte RPG-Elemente wie Experience Points und Level-Ups, besonders aber durch zahlreiche illustre Umgebungen (Castlevania-typisch meist gigantische Schlösser) und intensive Bossfights. Deedlit in Wonder Labyrinth beinhaltet nun all das: Bosskämpfe gegen riesige Gegner, versteckte Winkel, in denen sich neue Fähigkeiten wie Doppelsprung oder Zauber finden lassen, und haufenweise Gegner, die von Drachen bis zu Dryaden alles darstellen, was das Fantasy-Genre so zu bieten hat. Jetzt könnte man meinen, dass diese spielerischen Gemeinsamkeiten noch kein Beinahe-Plagiat hermachen. Auch das allseits beliebte Hollow Knight (2017) verortete sich ja in demselben Genre und gab ihm darüber hinaus durch seine kunstvoll-komplexe Map und den knackigen Schwierigkeitsgrad neue Impulse. Aber Deedlit in Wonder Labyrinth gleicht SotN wirklich aufs Haar: Alucard (die SotN-Hauptfigur) und Deedlit teilen ihr Aussehen, ihre Animationen, ja selbst die Nachbilder bei jeder Bewegung, die sie ausführen, sind gleich. Die frappanten Ähnlichkeiten machen auch nicht vor den Waffen, den Monstern, den Menüs und den Hintergründen Halt. Bei so vielen Designs, welche das Spiel bei seinem grossen Vorbild abkupfert, stellt sich natürlich die Frage: Was ist anders?

Elementargeister

Nicht viel. Abgesehen davon: Deedlit in Wonder Labyrinth bietet leider viel weniger Inhalt. Während SotN und die nachfolgenden GBA- und DS-Ableger der «Igavania»-Reihe nach ca. 4 Stunden gerade erst anfangen, interessant zu werden, zieht das Spiel hier bereits den Schlussstrich. Nach kurzer Zeit hat man bereits alle Waffen gefunden und Bosse besiegt, und fragt sich, ob denn da nicht noch mehr kommt als Doppelsprung oder Unterwasseratmung. Nein, kommt nicht. Ich bin sonst nicht der Verfechter von unnötig in die Länge gezogenen RPGs, aber da wäre eindeutig mehr drin gewesen. Auch ein «Bossrush»-Modus nach Beenden des Spiels ist zu wenig, um einen länger an den Bildschirm zu fesseln. Darüber hinaus ist das Game vergleichsweise zu einfach. Die gute Nachricht: Diesen Makel kompensiert Deedlit in Wonder Labyrinth durch eine wirklich hübsch anzusehende Pixelgrafik, die den Vorbildern in nichts nachsteht und sie sogar übertrifft (was 20 Jahre nach deren Release zu hoffen ist). Dennoch bleibt diese Tatsache positiv hervorzuheben, zumal es auf dem Markt genügend Gegenbeispiele von Games gibt, die einen billigen Pixelfilter über ihr Produkt klatschen und dies als «Pixel-Art» verkaufen. So macht es Spass, die Gegner mit zahllosen Effekten zu beharken. Desweiteren fügt Wonder Labyrinth eine Art «Quick Switch»-Konzept zur SotN-Formel hinzu: Deedlit besitzt einen Wind- und einen Feuergeist, die ihr je andere Fähigkeiten verleihen. Während es ihr der Windgeist beispielsweise erlaubt, in der Luft zu schweben, fügt sie mit dem Feuergeist mehr Schaden zu und ist immun gegen Lava. Bestimmte Bosse und Gegner nötigen einen entsprechend zu schnellen Wechseln zwischen den Elementargeistern, um ihren Attacken und Movesets beizukommen. Manchen mag das stressig erscheinen, mir hat das Konzept ziemlich gut gefallen und ich frage mich, warum es nicht schon in SotN eingefügt wurde. Leider kann diese frische Mechanik nicht verbergen, dass das Labyrinth selbst, in dem Deedlit umherwandert, etwas einfallslos erscheint. Mit Ausnahme von kleineren Schalterrätseln und schlecht versteckten Geheimräumen, in denen eigentlich nutzlose Goodies zu finden sind, gibt es nichts zu sehen; auch die Hintergründe der einzelnen distinktiven Teilgebiete sind stilistisch nicht das Gelbe vom Ei. Aber um den Hype um Symphony of the Night mal etwas zu dämpfen: Ersteres war auch bei jenem Klassiker der Fall, und die Bosse waren damals auch nicht so einfallsreich, wie manch hoffnungslos nostalgischer Fan glauben will. Deedlit in Wonder Labyrinth macht in Sachen Gameplay also insgesamt keinen schlechteren oder besseren Job als SotN. Sie sind im Guten wie im Schlechten gleich.

Mini-Version

Viele andere ewigen Vergleiche mit den Genre-Grössen mögen nicht zutreffen, aber bei Wonder Labyrinth bleibt wirklich nicht viel mehr zu sagen, als dass es sich um ein Mini-Castlevania handelt. Es ist hübsch anzusehen, spielt sich, ja, fühlt sich ganz einfach genau so an wie ein Spiel aus der Feder von Koji Igarashi. Dieser hat ja mit Bloodstained: Ritual of the Night (2019) seine eigene Vision vergangener Tage wiederauferstehen lassen. Soweit ich mich erinnere, schieden sich damals aber die Geister über diese Neuauflage seiner Grundidee. Manchen war sie zu verbuggt, andere beklagten die Einfallslosigkeit der Karte und Verstecke, wobei sie aber wohl nur von Games verwöhnt worden waren, die es paar Jahre später besser machten. Wonder Labyrinth macht zwar Spass, aber repliziert einfach genau das, was den Fans offenbar seit den frühen 2000ern immer noch fehlt. Ich für meinen Teil hatte für einige Stunden Freude mit dem Spiel, zumal ich damals glaube ich keines von Igarashis GBA- und DS-Games ausgelassen habe. Doch selbst Hardcore-Fans der Iga-Spiele seien gewarnt, dass der Preis für die Menge an Inhalt noch etwas zu hoch angesetzt ist, vor allem, wenn man die zahlreichen Alternativen bedenkt.

Dieser Beitrag wurde von Yoshi geschrieben und am 18. Januar 2022 um 17:55 veröffentlicht. Er ist unter Reviews abgelegt und mit , , , , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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