Gastbeitrag von MATTHIAS HASLER.
Hach, die 90er waren schon ein tolles Jahrzehnt. Nicht nur, dass der doch ziemlich überflüssige Kalte Krieg nach fast einem halben Jahrhundert endlich vorbei war, nein, auch tauchten allerlei neue Produkte auf: Elektronische Musik, Computer, das ominöse Internet und auch noch tragbare Telefone! In einer Zeit, in der all das neu war, schien der Glauben an die Zukunft gross und rosig. Und auch an eine gewisse Region, aus der diese technischen Wunder die Welt beglückten: Das Silicon Valley.
Was läge da näher, in der naiven Sicht der 90er – vor all den Dot.com- und Finanz-, und EU-Krisen, Datenschutzproblemen, NSA und jungen und gleichsam egoistischen Milliardären und ihrem unheilvollen Einfluss auf die Welt – eben jenem Silicon Valley ein eigenes Spiel zu widmen?
Dümmliche Helden auf dümmlicher Mission
Okay, ich gebe ja zu, dass es den Herstellern von Space Station Silicon Valley 1998 (N64/PS1) wohl kaum um eine Hommage ging. Die Story des Spiels ist recht einfach erzählt: Nach 1000 Jahren Isolation droht die Raumstation „Silicon Valley“ auf die Erde nieder zu krachen. Und in dieser Station „leben“ Robotertiere, welche die Menschheit bedrohen. Schnell engagiert die bärtige Präsidentin der Erde, Ms. Kerl (heute würde sie wohl Conchita heissen und sähe wohl wesentlich attraktiver aus) zwei Discounter-Helden zum Mieten, um die Erde vor dieser gigantischen Bedrohung namens Silicon Valley zu schützen. Das Helden-Duo besteht aus Evo, dem coolen Kampfroboter, und Dan, seinem wenig sympathischen und wenig attraktiven Ersteller. Sogleich starten die beiden mit ihrer Rakete, müssen pseudokomisch bei einem Asteroiden wenden, streiten sich wegen dem Radioprogramm und stürzen infolgedessen auf die Raumstation ab. Dabei verliert Evo seinen Anzug und verkommt zu einer Art „Krabbelkäfer-Chip“. Dan bleibt in der Rakete und verharrt dort über das ganze Spiel. Von dort aus gibt er ab jetzt Evo seine Missionen vor und bei deren Erfüllung klatscht er halbherzig. Oder er gähnt oder pennt gar.
Der Käfer, der Besitz ergreift
Das 3D-Jump’n’Run besteht aus verschiedenen Levels, die man dadurch beendet, dass man Dans Missionsziele erfüllt. Dass diese teilweise ziemlich an den Haaren herbeigezogen sind, oder wie beim ersten Level sogar grammatikalisch falsch formuliert sind („Besorg mit nem Schaf!“), vergibt man dem doch auf Selbstironie getrimmten Spiel schnell. In der auf Humor setzenden Story zerstört man etwa die Liebesbeziehung zwischen einem Robohund und einem Roboschaf, wird zum Rattenkönig, kämpft in der Känguru-Boxmeisterschaft oder sucht im Sumpf eine gar heilige Liane, die höchst mechanisch einfach zwei Seiten eines tödlichen Sumpfes verbindet.
Der Clou dabei ist, dass der kleine Evokäfer von den Robotieren Besitz ergreift, sobald er sie getötet hat. Selbstredend hat jedes der Tiere eigene Fähigkeiten und Schwächen. Das Schaf etwa kann einer Wolke gleich dahin schweben, während der Hund zubeissen oder die Maus schnell rasen kann. Hyänen lachen ihre Gegner zu Tode und Löwen brüllen sie zu Tode. Dem Trashfaktor des Spiels zum Trotz ist das auch heute noch ein einzigartiges Gameplay: Neben den Hüpf- und den (blödsinnigen) Rätseleinlagen sorgen vor allem die zahlreichen Tiere und die Kämpfe gegen sie (oftmals mit bescheidener KI) für Spass.
Bizarre Welt
Die Raumstation ist unterteilt in verschiedene Klimazonen, wobei die Pflanzen wie die Tiere Roboter zu sein scheinen. Es gibt Europa, eine Eis-Wasser-Gebirge-Region, einen Dschungel und eine Wüste. Am Ende von jedem Gebiet lauert so etwas wie eine besondere Herausforderung in Form eines Rennens, einem Boss, einer Shooter-Einlage oder einer Luftschlacht. Selbstredend gibt in jedem Gebiet eigene Tiere mit eigenen Fähigkeiten: Der europäische Bär mit der Tollwut, der Eisfisch, der Wüstenfuchs oder der tropische Vogel. Dabei sind die Tiere nach wie vor Roboter, wie die Schildkröte oder das Kamel, die beide eher Panzer als Lebewesen sind. Bizarr, oder etwas gar trocken, ist auch der Humor des Spiels: Mal verbrennt man als Hund das Schaf aus der anfangs erwähnten Liebesbeziehung, um an eine Bonusbelohnung zu kommen, und mal sieht man seltsam aufrecht stehende Leichen der menschlichen Forscher, welche die Raumstation mal betreut hatten. Obwohl das Spiel teilweise einen etwas gar inkorrekten Humor pflegt, wurde es übrigens damals ohne jegliche Altersbeschränkung freigegeben.
Gut, Trash oder Kult?
Trotz seines seltsam anmutendem Designs und seiner Story versucht das Spiel hochwertig zu sein. Leider klappt das mit seiner betont lieblosen Inszenierung, seinen unlogischen Lösungswegen und seinen zahllosen Bugs, die übrigens sogar verhindern, dass das Spiel zu 100% abgeschlossen werden kann, nur bedingt. Trotzdem macht das einzigartige Gameplay noch heute Laune, und bietet trotz teilweiser absurden Missionen und der schon damals bescheidenen Grafik Abwechslung, Humor und selbstverständlich aus Spass. Die N64-Ära war das Goldene Zeitalter der 3D-Jump’n’Runs und Space Station Silicon Valley ist ein etwas selbstironischer, aber bis heute einzigartiger Vertreter dieser Zeit und geniesst durchaus auch dank der Kombination mit der trashigen Atmosphäre Kultstatus.