Von JÁNOS MOSER.
Dumm gelaufen: auf der Jagd nach einem mysteriösen Kapuzenmann in Salem wird Polizist Ronan O‘Connor, Hauptfigur des Spiels Murdered: Soul Suspect, aus dem Fenster geworfen und mit Kugeln durchsiebt. Da könnte eine gewöhnliche Geschichte schon zu Ende sein. Nicht so Murdered. Als Geist auferstehend, kriegt ihr eine zweite Chance, die Identität des Mörders zu enthüllen und ihm das Handwerk zu legen. Dabei trefft ihr nicht nur auf eure noch lebenden Berufsgenossen, sondern auch allerlei Geister und Dämonen aus dem Jenseits. Ob das so spannend ist, wie es klingt?
Rätsel
Das Wichtigste gleich vorweg: da ist nichts mit Tempo und Action à la Ghost Busters. Murdered entpuppt sich nicht so sehr als Actiongame sondern vielmehr als gemächliches Adventure. Eine rauere, tätowierte Version von Sherlock Holmes spielend, trottet ihr nach einer kurzen Einführung auf dem Tatort eures Mordes umher und sammelt Hinweise. Dazu braucht es indes, anders als in üblichen Rätselspielen, nicht viel Köpfchen. Erstens hat die Polizei die Glasscherben, die Tatwaffe und eure Leiche fein säuberlich nummeriert und abgesteckt, sodass ihr nur noch von Schildchen zu Schildchen spazieren müsst, zweitens könnt ihr auf eure Geisterfähigkeiten zurückgreifen, sprich von Passanten Besitz nehmen und ihre Gedanken und Gespräche belauschen. Manche Personen könnt ihr zudem gedanklich manipulieren, sodass sie euch das nächste Ziel frei heraus verraten. Dazu muss man lediglich die richtige Auswahl der zuvor gesammelten Hinweise am Tatort auswählen, welche darüber hinaus allzu oft nichtssagend und unzusammenhängend erscheinen. Steht das nächste Ziel erst einmal fest, führt euch ein Pfeil sicher zum gewünschten Ort. Und wenn einmal gar nichts mehr helfen sollte, sind da immer noch praktisch-geisterhafte „Erinnerungsrückstände“. Manchmal muss man die richtige Auswahl von 6-8 Adjektiven auswählen, um die Stimmung eines Zeugen zu beschreiben. Viel Grips braucht also die Jagd nach dem „Glockenmörder“, so der Name des Schurken, freilich nicht. Murdered stellt euch vor Rätsel der anderen Art: wie es Ronan zum Beispiel schafft, kein einziges Mal seine Zigarette zu verlieren, während er verprügelt wird. Oder: wie genau er herausgefunden hat, dass ein Schlüssel, den er in der Kirche fand, genau zu einem dubiosen Haus am anderen Ende von Salem passt. Der spielbare Krimi strotzt vor Logiklöchern, etwas mehr Licht in die Geschichte bringen zumindest sammelbare Gegenstände, die euch mehr über die Vergangenheit bestimmter Orte der Stadt erzählen.
Geister
Als ernstzunehmende Fernsehserie hätte Murdered also schon verloren, zum Glück sind da noch die Nebenaufgaben. Da ihr der Astralwelt angehört und obendrein Ordnungshüter seid, gehört es zum guten Ton, verirrten Geistern zur Erlösung zu verhelfen und die Umstände ihres Todes aufzuklären. Dies tut ihr zwar auf dieselbe Weise wie oben beschrieben, doch die Geschichten sind interessant und verleiten zum Weiterspielen. Da ist zum Beispiel die ertrunkene Frau am Strand, die bei einem Bootsunglück ums Leben kam. Oder der Typ, der nicht weiss, wer an dem Autounfall Schuld ist. Einzig etwas mehr dieser Aufklärungsarbeiten hätte es geben dürfen, denn mit dem Grossteil der Geister könnt ihr nur ein paar wenige Worte wechseln. Immerhin sind da bemerkenswerte Genossen dabei, wie der in der Gruft eingeschlossene Student oder der Metzger, der seine Opfer den Schweinen zum Frass vorgeworfen hat. Doch um die Probleme in der realen Welt zu lösen, braucht ihr natürlich nicht nur die Hilfe von Geistern, sondern auch von den Lebenden. Dazu zählt auch Joy, Teenage-Göre und „Medium“ (Geisterseherin) in einem. Während ihr dem Mädchen zum Beispiel sprichwörtlich die Türen öffnet (durch die ein Geist selbstverständlich hindurch kann), hilft sie euch dabei, an fiesen Dämonenhänden vorbeizukommen.
Dämonen
Und da wären sie. Diese nervigen, frustrierenden, elendigen Viecher, die das sonst ruhige Spiel zu einem Spiessrutenlauf machen. Schuld daran trägt nicht ihre Anzahl (die hält sich nämlich von in Grenzen), sondern die Methode, mit der ihr sie in die Hölle befördern müsst. Euch von hinten an sie anschleichend, wartet ihr auf den richtigen Moment, um sie per Tastendruck zu paralysieren. Ist das erst einmal geschafft, geht die Tortur aber erst richtig los: es gilt, schnell eine Tastenkombination zu drücken, um sie in ihre Einzelteile aufzulösen. Obwohl diese nie aus mehr als einer Richtungs- und einer Bestätigungstaste besteht, will sie jedes zweite Mal aus unerfindlichen Gründen nicht gelingen. Wart ihr zu schnell? Zu langsam? Habt ihr die Pfeiltaste falsch gedrückt? Wie eine alte griesgrämige Dame liefert das Game keine Antwort und macht euch stattdessen Feuer unterm Hintern. Denn seid ihr erst einmal entdeckt, müsst ihr euch schleunigst verstecken, oder ihr werdet zum Frühstück verspeist. Dazu huscht ihr von Astralkörper zu Astralkörper hin und her, während die Dämonen eine gefühlte Ewigkeit nach euch suchen – bis sie endlich von euch ablassen und in ihre ursprünglichen Patterns zurückkehren. Also wieder angeschlichen und – Gottverdammt. So kann das Spielchen bis zu sechs Mal gehen, jedes Mal will man den Controller an die Wand werfen. Und vor allem: Warum hat Ronan keine Waffe zum Ballern? Die Zigi haben sie ihm ja auch gelassen!
Salem
Umso froher seid ihr, wenn mal kein Dämon auf dem Plan steht, sondern die Erkundung Salems. Die Stadt an sich erstrahlt, wenn auch nicht im Uncharted-Grafikglanz, so doch recht stimmungsvoll im Mondlicht. Speziell sind die da und dort auftauchenden geisterhaften Versatzstücke des „alten“ Salems aus der Zeit der Hexenverfolgungen, das aus brennenden Holzhütten, Gerippen von Segelschiffen und Karren besteht. Zwar sehen die Teile grafisch etwas lieblos aus, erfüllen aber den Zweck, in den Plot einzustimmen, der sich um die vergangenen Hexengräuel dreht. Die Geschichte ist für ein Game, das hauptsächlich durch die Handlung angetrieben wird (Herausforderungen gibt es ja ausser den Dämonen praktisch keine), abgesehen von den Logiklöchern ganz in Ordnung, wenn man sich auch etwas mehr Spannungsmomente gewünscht hätte. Die Sprüche zwischen Ronan und Joy wirken nicht so aufgesetzt wie in vergleichbaren Spielen, und dass euer Haudegen auch kein Unschuldslamm ist, macht die Sache etwas interessanter. Ein Manko ist jedoch, wie so oft, die Spielzeit. Für einen Schnelldurchlauf braucht es sechs bis acht Stunden, wenn überhaupt.
Fazit
Murdered: Soul Suspect stellt euch auf die Probe: verträgt ihr einen Polizist ohne Knarre? Ärgert ihr euch über die einfache und zugleich unzusammenhängende Hinweissuche? Treiben euch die Dämonen an den Rand des Wahnsinns? Wer mindestens zwei Fragen verneinen kann, für den ist das Spiel vielleicht einen Blick wert. Alle anderen greifen lieber zu einem Sherlock Holmes-Titel oder einem vernünftigen Actionspiel – Murdered will keines von beidem richtig sein.