Freies Feld

The Darkness 2

Von JÁNOS MOSER.

Comicverfilmungen gibt es wie Sand am Meer. Comicverspielungen auch. Bei all den Spider-, Bat-, Super- und Sonstwie-Man-Spielen verliert man gerne mal den Überblick. Während einige von diesen Games durchaus das Potenzial zum Hit haben oder hatten, gibt es nach wie vor etliche darunter, die man besser nicht mit der Kneifzange anfassen sollte, zum Beispiel Superman 64. Doch die Zeiten des Man of Steel sind gottlob ohnehin ziemlich vorbei. Die Welt lechzt heute nach „gebrochenen“ Helden. Ob Kokainsucht, Trinkgelage, Wutanfälle oder Morphium, jedes Laster ist willkommen, um dem vermeintlich langweiligen Strahlemann eine dunkle Seite zu verleihen. Die meisten dieser unglücklichen Kombinationen sind selbst schon längst wieder zum Klischee geworden, dennoch gibt es den einen oder anderen Antihelden, der sich nicht allzu schlecht schlägt. Dazu gehört Jackie Estacado. Der abgebrühte Mafiakiller und Protagonist der The Darkness-Comics wurde auf der PS3 mit zwei Spielen beehrt, Gerüchte für ein Drittes sind am Start. Ein Verbrecher mit Tentakelarmen, klappt das oder haben wir es mit einer schlechten Doc Oc-Kopie zu tun? Wenn wir in The Darkness II reinschnuppern, sind wir am Ende hoffentlich klüger.

Fortsetzung

Wie jedermann ahnt, ist The Darkness II der Nachfolger des ersten Spiels von 2007 und knüpft an dessen Handlung an. Wer nichts vom Comicuniversum weiss, schifft zwar zu Beginn auf unbekannten Gewässern, allzu viel muss man aber auch gar nicht wissen. Zwei Jahre nach den Vorfällen aus Teil 1, die per Cutscene erklärt werden, hat sich Jackie in der Mafia-Rangordnung hochgearbeitet und ist der Pate einer loyalen Familie aus lauter Tonys, Bonnies und Dolfos geworden. Er besitzt eine schicke Bonzenbude in New York und hat eine liebe, fluchende Tante. Alles wäre perfekt, wäre da nur nicht seine Freundin Jenny, die nicht mehr unter den Lebenden weilt und ihm schlaflose Nächte bereitet. Weshalb er sich wegen ihrem Tod in Schuldgefühlen wälzt, geht aus der Handlung nicht wirklich hervor – dazu müsste man wohl den ersten Teil ausführlicher gespielt haben – aber das ist ja alles auch nicht wichtig, denn in einem italienischen Restaurant kommt es flott zu einer ersten Schiesserei und Jackies Kräfte erwachen nach langer Zeit wieder zum Leben. Das sieht nicht nur cool, sondern auch ziemlich brutal aus. Der erste Gegner überlebt die Begegnung mit den zwei Tentakelarmen – tja, gar nicht, von den anderen armen Teufeln ganz zu schweigen. Apropos Teufel: Statt der vielen Minions aus Teil eins bekommt man im zweiten Teil einen stetigen Begleiter, der nicht nur schlimme Sprüche auf den Lippen hat, sondern auch auf Leichen uriniert. Wem nun das Mittagessen hochgekommen ist, sei beruhigt: Das ist nicht die einzige Geschmacklosigkeit, die The Darkness II zu bieten hat. Was Gewalt und co. angeht, nimmt sich das Spiel viele Freiheiten heraus und steht mindestens auf einer Stufe mit God of War 3, wenn nicht sogar höher. Gegner werden gepfählt, zerstückelt, entzweigerissen, verbrannt oder geköpft. Zumindest in der unzensierten Version. Eine schicke Cel-Shading-Optik sorgt für den nötigen (oder unnötigen?) Detailgrad, der dadurch etwas entschärft wird, dass man mehr denn je das Gefühl hat, einen Comic nachzuspielen. Wer sich genau umschaut, entdeckt sogar einige The Darkness-Comichefte herumliegen. Die Handlung des Spiels spaltet sich ab einem bestimmten Zeitpunkt in zwei Teile. Zum einen durchstreift ihr als Mafiaboss U-Bahn-Tunnel, verlassene Jahrmärkte und Herrenhäuser, zum anderen erwacht Jackie des öfteren – oh Wunder – in einer Irrenanstalt, wo ihm Ärzte seine Halluzinationen über die Tentakel, den Bandenkrieg und die schicke New Yorker Bude ausreden wollen. Die Insassen der Anstalt sehen zufälligerweise alle wie seine Mafiakumpel aus, Jenny ist eine Ärztin, die ihm Medikamente verschreibt. Im Gegensatz zur Hektik des Mafioso-Alltags darf man in der Anstalt auch einfach mal plaudern und die seltsame Atmosphäre auf sich wirken lassen. Spätestens in diesen Abschnitten merkt man, wie geschickt das Spiel seine nicht allzu komplexe, aber interessante Geschichte erzählt und es entsteht ein Sog, der einen in den Bann schlägt. Was ist Vorstellung, was Wirklichkeit? Ist die Anstalt nur ein „Trick“ der Finsternis, oder ist Jackie tatsächlich verrückt? Kontrolliert die gefährliche Macht ihn, oder wird er von ihr kontrolliert? So Spass es macht, das herauszufinden, so schnell hat man leider des Rätsels Lösung, denn nach etwa sieben Spielstunden ist The Darkness II vorbei.

Geballer

So eindrücklich das Rundherum ist, im Kern ist das Spiel ein Shooter. Wie ist das Geballer und Gepfähle gelungen? Sehr gut, wenn auch nicht überragend. Der grosse Pluspunkt (gegenüber Teil 1) ist der, dass man, Tentakel hinzugerechnet, sage und schreibe vier Waffen gleichzeitig zur Verfügung hat. Der linke Tentakel dient dazu, Gegner zu packen und per Finishing-Move zu eliminieren, der andere dazu, kräftige Nahkampf-Peitschenhiebe auszuteilen. Dazu hat man gleichzeitig zwei kleinere Waffen oder wahlweise eine zweihändige Waffe zur Verfügung. In der Theorie löst das Drücken aller vier PS3-Schultertasten gleichzeitig also ein Inferno sondergleichen aus. In der Praxis ist es ratsam, nicht einfach wie ein Berserker loszustürmen. Fällt starkes Licht auf Jackie, verschwinden die Arme und er ist vorübergehend auf seine Kugeln angewiesen. Gegner nutzen diese Schwäche aus, verstecken sich hinter Scheinwerfern oder kommen gleich selbst mit Taschenlampen daher. Einige Lichtquellen lassen sich mit einem gezielten Schuss ausschalten, andere sind an einen Generator angeschlossen, den man zunächst aufspüren muss (was zum Glück keine grosse Herausforderung darstellt). Warum die Tentakel so wichtig sind? Nur durch sie ist es möglich, Gesundheit wiederherzustellen – durch das Fressen von menschlichen Herzen. Sie sind aber auch anderweitig verwendbar, zum Beispiel, um eine Autotür zu greifen und als Schild zu benutzen. Nach dem Freischalten von verschiedenen Talenten kann man ausserdem den kleinen Begleiter auf einen Gegner werfen oder ein schwarzes Loch erscheinen lassen, die alles in der Umgebung aufsaugen. Hinzu kommen beschwörbare Mückenschwärme oder Munitionsboni für die Finishing Moves. Oder man wirft Rotorblätter. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt, zumal man sich mit den Upgrades auf die eine oder andere Spielrichtung festlegen kann. Dieser Spielplatz der Möglichkeiten hat leider auch seinen Preis: Die Levelarchitektur lässt manchmal zu wünschen übrig. Vielfach hat man das Gefühl, einfach ein einer Cutscene zur nächsten zu hetzen, ohne wirkliche Überraschungen auf dem Weg. Immerhin lockern die kurzen Pausen in Jackies Bude das Ganze etwas auf, wo man wie in der Anstalt plaudern oder Schiessen üben kann. Apropos Plaudern: Die deutschen Synchronsprecher sind an manchen (ganz seltenen) Stellen nicht so ganz auf der Höhe, aber es lässt sich verschmerzen. Eins noch: Die Bosskämpfe hätten spektakulärer ausfallen dürfen; die meiste Zeit schiesst man nur auf einen Typen, der sich herumteleportiert, als stände er unter dem Einfluss von Drogen.

Fazit

The Darkness II ist etwas für Shooterfreunde und Freunde exzessiver Gewaltdarstellung. Wobei die Annahme, dass beides hie und da zusammenfällt, vielleicht nicht so unberechtigt ist. Es lohnt sich jedenfalls, einen Blick auf das Spiel zu werfen, wenn man ein paar Geschmacklosigkeiten in Kauf zu nehmen und die kurze Spielzeit verschmerzen vermag. Belohnt wird man mit einer clever erzählten Story, die einen in Atem hält und bis zum Schluss nicht langweilig wird, einer guten Cel Shading-Optik, und einer tollen Spielmechanik, die viele Spielarten erlaubt. Für das nächste Mal wünscht man sich etwas weniger Linearität und ein spielerisch spannenderes Leveldesign.

Dieser Beitrag wurde von Yoshi geschrieben und am 22. Juli 2013 um 01:29 veröffentlicht. Er ist unter Reviews abgelegt und mit , , , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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