Freies Feld

Clark Ashton Smith

Von JÁNOS MOSER.

ashtonsmith

“I […] refuse to submit to the arid, earth-bound spirit of the time; and I think there is sure to be a romantic revival sooner or later […]” (1)

Clark Asthon Smith (1893 – 1961) gilt neben Lovecraft und Robert E. Howard als einer der grossen drei Pulp-Autoren in der „golden Era“ des SF- und Horrormagazins Weird Tales. Er lebte zurückgezogen in Kalifornien und begann mit dem Schreiben von phantastischen Gedichten über Sternenreisen und fliegende Träume, bevor er wegen seiner prekären finanziellen Lage gezwungen war, Prosa zu verkaufen. Die Gedichte hatten ihm, obwohl sie dem Realismus seiner Zeit widerstrebten, einige literarische Anerkennung gebracht, die jedoch schnell versandete. Da er sich ausserdem um seine kranken Eltern zu kümmern hatte, musste er sich mit Feldarbeit und anderen Plackereien verdingen. Die Schule hatte er nur unregelmässig besucht; wie Lovecraft, mit dem ihn eine lange Brieffreundschaft verband, wuchs er fast ausschliesslich mit Büchern auf und litt unter schlechter Gesundheit. Seine Welt bestand aus 1001 Nacht, Edgar Allan Poe – und dem Webster‘s Unabridged Dictionary das er von hinten nach vorne durchlas. Was ihm an Schulbildung fehlte, machte er mit Autodidaktik und Fantasie wieder wett – das Resultat ist eine krude, überbordende Textwelt voller Edelsteine, die in ihrer Dekadenz an Passagen aus Oscar Wildes Dorian Gray erinnert. An die Wissenschaft werden, anders als bei seinen Autorenkollegen, keinerlei Zugeständnisse gemacht. In eigenen Worten: „I, too, am capable of observation; but I am far happier when I can create everything  in a story, including the milieu […] Maybe I haven’t enough love for, or interest in, real places, to invest them with the atmosphere that I achieve in something purely imaginary.“ (2)
Die Prosa-Geschichten ab 1925 lassen sich verschiedenen imaginierten Reichen zuordnen; die meisten von ihnen spielen in Zothique, einem Land in der Zukunft, in dem eine schwache Sonne scheint und die Zivilisation in Aberglauben, Magie und Barbarei zurückgefallen ist. Andere Geschichten spielen in Hyperborea, einem nördlichen Kontinent in einer fernen Vergangenheit. Hier lebt u.a. der Zauberer Eibon, der das unaussprechliche Necronomicon schrieb … – oder wie war das nochmal? Ein drittes Reich namens Averoigne ist eine alternative Version des frühmittelalterlichen Frankreich mit Magiern und Mönchen. Zuletzt schrieb Smith auch Atlantis-Geschichten oder solche, die auf dem Mars spielen.

Gold und Glanz

Wenn man Lovecraft, Howard, Dunsany, Bierce und co. gelesen hat, überrascht das Schema von Smiths Geschichten nicht  – gefährliche Mächte besiegeln das Schicksal von Prinzen, Königen und Zauberern, in verlassenen Ruinen hat eine unheimliche Alienrasse überlebt, Zeitreisen enden im Tod. Das Spezielle ist der Sprachgestus, der manchmal Kopfschmerzen verursacht (wie in den Gedichten), oft aber eine ganz eigene Atmosphäre voller Gold- und Silberglanz heraufbeschwört, die seinesgleichen sucht. Wer wie ich immer enttäuscht war, dass die Coverzeichnungen für dicke Fantasybände immer viel besser waren als das, was drinstand, wird in Smith seine Rettung finden; denn seine Sprache ist all das, was die Entrücktheit, die träumerische Sehnsucht – und der Kitsch – dieser Bilder zu transportieren versucht. Glaubwürdig ist er zwar nicht, wenn er altertümliche Wortformeln benutzt (diese bilden auch den schwächeren Teil seiner Prosa), aber in seiner ganzen goldenen Fülle versetzt er einen wirklich in die Katakomben von Yoh-Vombis oder macht die Wanderung des Schäferjungen Xeethra nach Calyz zu einer epischen Reise. Die Geschichten lassen den Leser in Welten eintauchen, deren Ortschaften und Geschehnisse in ein organisches Ganzes eingebunden sind. Der Beschrieb von tausenden Edelsteinfarben, von kostbaren Gewändern und Schmuck, von schwarzen Stürmen am Himmel und roten Höllenfeuern erfolgt in so einer dichten Kadenz, dass sie den Leser zuweilen bis zur Erblindung bringen – aber wie wir wissen, sah auch Neo die wahre Gestalt der Maschinenstadt erst, als er sie mit dem inneren Auge betrachtete.

The Dark Eidolon and Other Fantasies

Zu Lebzeiten veröffentlichte Smith neben Gedichten nur einen Band mit Kurzgeschichten – The Double Shadow. Darin versammelte er sechs Erzählungen, die z.T. in dieser Form von den Pulp-Magazinen verschmäht worden, ergo zu komplex für die jungen Leser waren, die Plot und Geschwindigkeit verlangten. Was die Zusammenstellung angeht, wäre dieser Band wohl die beste Wahl. Das Buch ist aber leider mittlerweile nur noch schwer zu bekommen. Seit nicht langer Zeit gibt es indes auch eine Penguin Classic-Ausgabe mit dem Titel The Dark Eidolon and Other Fantasies, die neben den wichtigsten Geschichten auch (Prosa)Gedichte beinhaltet. Zwar fehlen da einige aussergewöhnlich gute Geschichten wie „The Voyage of King Euvoran“, dafür wird man mit einem Vorwort und Anmerkungen entschädigt. Ich persönlich kann mit den Gedichten weniger anfangen als mit den Erzählungen. Die besten Geschichten aus der Penguin-Ausgabe sind „The City of the Singing Flame“, „The Holiness of Alzédarac“, „The Dark Eidolon“ und „The Vaults of Yoh-Vombis“. Letztere hat deutliche Anleihen an die Berge des Wahnsinns.

Zitate:
(1): Asthon Clark Smith: The Dark Eidolon and Other Fantasies, Penguin Books 2014, S. XIV.
(2) S. XVI.

Dieser Beitrag wurde von Yoshi geschrieben und am 23. Mai 2016 um 15:53 veröffentlicht. Er ist unter Porträts abgelegt und mit getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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