Von CÉDRIC WEIDMANN.
In Pokémon Crystal überwindet man — wie in allen Pokémon-Spielen — gegnerische Trainer, man findet und fängt Pokémon, hilft armen Dorfbewohnern und freundet sich mit seinen Begleitern an. In diesem Abenteuer voll tiefstem Pathos (ja, Videospiele, die sich bescheiden geben, sind sehr selten) durchlebt man wunderbare Höhen und Tiefen einer Welt, in der man eigene Entscheidungen trifft.
Man fühlt sich so wohl in dieser Welt, dass man gar nie fragt: wozu ist man eigentlich in ihr? Diese Frage aber liesse sich stellen — und es gäbe eine sehr prosaische Antwort darauf.
Die Spielfigur entsteht erst (der Bildschirm befindet sich im Dunkeln), indem sie durch Prof. Elm (Nachfolger von Prof. Eich aus den früheren Teilen) geweckt wird. Prof. Elm erklärt dir erstmal in welchem von eigenartigen Tierchen bevölkerten Universum du dich befindest (als wäre es nach dem Aufwachen nicht genug, es würde dir jemand das Zimmer in Erinnerung rufen). Dann erklärt er, er müsse unbedingt ein Paper für eine Konferenz schreiben. Aber er wisse noch zu wenig über die Pokémon, um es fertig zu bringen.
Ja, das ist der Grund, weshalb das ganze Abenteuer, die Schlacht gegen Team Rocket, das Zähmen unzähliger Pokémon, Freundschaft und Feindschaft, Odyssee durch Meere, Seen, Höhlen, Gärten und Wälder überhaupt beginnt. Ein Scheisspaper für eine Scheisskonferenz! Offenbar setzt hier die Traumwelt schon an: Welcher Wissenschaftler würde denn lieber einen Dreikäsehoch in die böse Welt schicken, ihm ein Pokémon anvertrauen und hoffen, dass er ihm ein paar neue Exemplare einsteckt. Prof. Elm ist also sowohl der pflichtbewusste Onkel Professor als auch völlig unfähig, die Sache selber in die Hand zu nehmen. Vielleicht eine Utopie? Vielleicht ist die Geschichte von Pokémon Crystal doch nur angetrieben durch den Wunsch, selber etwas zum Wissen beitragen zu können — einem Professor zu helfen! Du, du selbst, als kleines Gör in der Welt der Pokémon, das gerne kämpft und laute Sprüche machst, auf dich muss ein Professor zurückkommen!
Ist das ein vorteilhaftes Bild der Wissenschaften? Oder gerade ein beschämendes?